
E-Wandern statt E-Biken: So fühlt es sich an
Mehr Power in den Beinen dank Batterie, KI und Robotik? Der E-Hiker von Hypershell macht’s möglich. Wie sich die ersten 10 000 Schritte anfühlen, erfährst du hier.
Drei Klicks, um die Schnallen zu schliessen, kurz die Gurte an Hüfte und Oberschenkeln festziehen – und schon verwandle ich mich in einen Cyborg, werde halb Mensch, halb Maschine. Das Gerät, das mir Superkräfte verleihen soll, ist das Exoskelett Pro X von Hypershell – kurz: ein E-Hiker.

Quelle: Siri Schubert
30 Prozent Kraftersparnis und deutlich Schub am Berg
Die Roboterbeine von Hypershell versprechen, meinen Kraftaufwand um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. Ein 800-Watt-Motor wird mich pushen. Bergauf gehen sollte damit ein Kinderspiel sein. Treppensteigen ebenfalls. Damit nicht genug: Joggen und Radfahren stehen auch auf der Liste der Einsatzmöglichkeiten.
Bei einem ausgiebigen Spaziergang habe ich mir einen ersten Eindruck verschafft. In einem späteren Test werde ich die verschiedenen Anwendungsarten dann im Detail ausprobieren. Heisst genau: Ich werde mit meinen künstlich intelligenten und kraftvollen Beinen aufs Bike steigen, einen Trail hinaufrennen und meine eigene Fitness gegen den Widerstand der Kunststoffbeine stemmen, das geht nämlich auch.
Exoskelette sind ein neuer E-Mobility-Trend
Exoskelette, die Unterstützung für die menschliche Muskelkraft bieten, liegen im Trend. Seit ich vor einigen Monaten über die E-Wanderhose von Arcteryx und dem Google Spin-off Skip berichtet habe, hat das Thema Fahrt aufgenommen.
Hypershell ist eines der ersten Unternehmen, das einen elektrischen Gehantrieb auf den Markt gebracht hat. Mit dem «Innovations Award» an der Technologiemesse CES 2025 erzielte die Firma aus China einen ersten Achtungserfolg.
Nicht nur das: Mit einem Preis von 1099 Euro (rund 1050 Franken) sind die E-Beine in der Pro-X-Version auf der Website des Herstellers deutlich günstiger als die Skip-Arcteryx-Mo/Go-Hose, die mit 5000 US-Dollar (4415 CHF, 4630 Euro) zu Buche schlägt.
Gute Verarbeitung und geringes Gewicht
Das Hypershell-Exoskelett besteht aus einem gepolsterten Hüftgurt, der die Batterie trägt. Die beiden gebogenen Kunststoff-Beine werden oberhalb der Knie mit Manschetten fixiert. Mehr brauchst du nicht: Du kannst die computergesteuerten Beine einfach über deiner normalen Kleidung tragen.
Das Pro X Modell wiegt mit Batterie 2,4 Kilo und besteht aus carbonverstärktem Kunststoff, einer Aluminiumlegierung und Edelstahl. Neben dem Pro X gibt es eine günstigere Version aus verstärktem Polymer und eine teurere aus Carbon.
Das Exoskelett wird in einem grauen Styroporkoffer geliefert. Im Lieferumfang sind ein zusätzlicher Akku und ein Ladekabel enthalten. Mit einem Akku sollest du laut Hersteller im Eco-Modus auf ebenen Wegen etwa 17 Kilometer weit kommen.
Ein erstes Anprobieren
Als ich das Exoskelett endlich in den Händen halte, kann ich es kaum erwarten, damit spazieren zu gehen. Anpassen an meine Grösse und Anziehen sind dank der einfachen Konstruktion mit Schnallen und Gurten in wenigen Minuten erledigt. Auch die Verbindung mit der App funktioniert problemlos. Ich muss noch ein paar Informationen wie meine Grösse und mein Gewicht eintippen und schon kann es losgehen.
Bequem finde ich den Apparat auch. Das schlanke Design trägt nicht auf und ich habe nicht das Gefühl, mit einem extrem auffälligen Gerät unterwegs zu sein.
Raus auf die Hügel
Die ersten Schritte fühlen sich an, als würden meine Knie von Geisterhand angehoben. Etwas strange. Aber nach ein paar Minuten normalisiert sich das. Die Bewegungserkennung lernt gerade, welche Schrittlänge für mich normal ist und wie ich mich in unterschiedlichem Gelände bewege.

Quelle: Siri Schubert
Der Motor ist angenehm leise und die Bewegungen smooth, so dass sie trotz des Ursprungs in der Robotik nichts Eckiges oder Abgehacktes haben. Wie bei einem E-Bike kann ich zwischen verschiedenen Modi wählen: Eco für eine lange Akkulaufzeit und moderate Unterstützung, Hyper für kräftigen Schub, Transparent, wenn ich auf Unterstützung verzichten will, und Fitness, wenn ich es mir absichtlich schwer machen möchte.

Quelle: Siri Schubert
Zuerst geht es bergauf. Hier spüre ich die Unterstützung deutlich. Normalerweise gehe ich diese Strecke nicht so schnell. Lustig ist, dass sich das Heben der Beine zwar deutlich leichter anfühlt, die Gesäßmuskulatur aber trotzdem arbeiten muss. Ein gewisser Trainingseffekt ist also auch dabei.
Je länger ich unterwegs bin, desto natürlicher fühlt sich das Laufen mit E-Power an, wie du auch in diesem Video sehen kannst.
Am Anfang gehe ich schneller als sonst, wahrscheinlich weil ich unbewusst die Unterstützung ausgleichen will. Doch sobald ich mich konzentriere, finde ich meinen Rhythmus. Knapp 10 000 Schritte und 200 Höhenmeter lege ich mit der Elektropower in den Beinen zurück und muss zugeben, dass ich das Laufgefühl geniesse.
Nur wenn ich von einer abschüssigen Passage auf einen geraden Weg wechsle, stottert das Exoskelett. Es dauert ein paar Sekunden, bis es sich an die neue Gangart gewöhnt hat. Wenn ich bergab gehe, merke ich die Unterstützung nicht. Aber die KI lernt ja noch und soll sich immer besser an meinen Gang anpassen. Ob und wie gut das klappt, wird sich beim nächsten Test zeigen.
Für wen ist das Exoskelett gemacht?
Da ich insgesamt recht fit und ein grosser Fan des Laufens aus eigener Kraft bin, müssen weitere Tests zeigen, ob es für mich sinnvolle Anwendungen gibt. Gespannt bin ich auf jeden Fall auf das Joggen und Radfahren mit E-Power. Für sportlich Ambitionierte gibt es zudem einen Modus, in dem das Gerät nicht unterstützt, sondern wie beim Krafttraining einen zusätzlichen Widerstand bietet. So kann ich gezielt die Muskeln fürs Laufen trainieren. Dieser Test wird sicher interessant.
Yingjie Pang, Marketing Mangerin bei Hypershell, die ich auf der internationalen Sportmesse ISPO traf, sagte, dass der E-Antrieb Outdoor-Abenteuer für alle zugänglicher machen soll. Ein Fokus liegt auf Fotografen, die schwere Ausrüstung auf Berge schleppen wollen. Ein anderer auf Paaren mit unterschiedlichen Fitness-Leveln. Und auf älteren Menschen, die das Exoskelett im Alltag beim Treppensteigen oder Einkaufen nutzen können.
Ich jedenfalls bin nach dem ersten Test noch neugieriger geworden. Stay tuned, wenn du erfahren willst, ob ich das Gerät nach einigen Wochen liebe oder hasse und ob ich dank ihm noch höher hinaus will oder auf dem Boden der Tatsachen lande.
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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.