Fast & Furious 9: Unsinn. Punkt.
Als Fan der Fast-and-Furious-Serie fällt es mir schwer, das zu sagen: «Fast & Furious 9» ist ein Schlag ins Wasser. Leider.
So als Vorwarnung: Diese Filmbesprechung hat leichte Spoiler. Also, die Dinger, die den Plot verraten. Nicht die Dinger, die hinten am Auto sind. Okay, die auch. Aber die sind weniger schlimm.
Auch ist es so, dass du dir wohl kaum den neunten Film einer Serie ansiehst, ohne die anderen acht – oder neun, wenn wir «Hobbs and Shaw» dazunehmen – gesehen zu haben. Und falls nicht: Klemm dich vor deinen Lieblingsbildschirm und gib dir die Filme. Ich bin seit dem ersten Teil Fan der Serie und egal, wie beknackt die Filme werden, ich bleib dabei.
«Fast and Furious 9» ist kein guter Film. Hat auch keiner so erwartet, aber auch im Rahmen der eigenen «Fast Saga» ist der Film nicht besonders gut. Daher ein Review eines Filmes, der so konfus ist, dass ich ihn zweimal im Kino gesehen habe.
Daher:
- Als Nicht-Fan der Serie: Lass es
- Als Fan: Schau dir den Film zweimal an, Streaming Release reicht
Oder lies dieses Review. Geht auch.
Die Story: Schnell, unsinnig, in sich schlüssig
Es ist die Story, die mich dazu gebracht hat, nach der Vorpremiere am Mittwoch am Samstag ins Bett-Kino des Pathé Spreitenbach zu gehen, mich hinzulegen und mir «Fast and Furious 9» noch einmal anzusehen. Angenehmer Nebeneffekt: Ich will nie wieder einen Kinofilm im Kinosessel sehen gehen. Bett-Kino gewinnt. In jedem Fall. Das bisschen zusätzlicher Platz, der Komfort und die Decke machen das Kino zum fancy Erlebnis.
Erst nach dem zweiten Mal ansehen fällt mir auf, dass der Film eigentlich all das Unerklärliche erklärt, das ich beim ersten Mal als Plot Hole angesehen habe:
- Michael Stasiak (Shea Whigham) sagt, er fliege die Crew inklusive Material überall hin, sei dann aber raus
- Der Elektromagnet unten am Flugzeug ist stärker als jeder bisher bekannte Elektromagnet
- Die Toretto-Familie besteht laut Flashbacks aus Dom, «anderer Sohn» und «Was? Tochter? Welche Tochter?»
Das soll nicht heissen, dass das alle Plot Holes stopft. Denn die Story ist nach wie vor komplett behämmert, sogar für einen Fast-and-Furious-Film, betrachtet von einem Fan der Serie. Die Story geht irgendwie so: Der Sohn eines Diktators und der längst verschollene und geschasste Bruder des einzig wahren Dominic Toretto (Vin Diesel) tun sich zusammen und hecken einen Plan aus. Wenn sie an ein Computer-Dings – im Folgenden einfach mal McGuffin genannt – kommen, dann können sie alles hacken. Also wirklich jedes Teil, das einen Computerchip verbaut hat. Darin sind auch Satellitenwaffen inbegriffen.
Eine Hälfte des McGuffins hat Mr. Nobody (Kurt Russell) bei sich, als sein Flugzeug inklusive Terroristen an Bord von besagten Terroristen abgeschossen wird. Es liegt an Dom Toretto und seiner erstaunlich klein gewordenen Familie, die Computer-Halbkugel zu finden und zu sichern. Im Dschungel eines fiktionalen Staates namens Montequinto.
Sie fliegen also dahin, laden eine Yamaha YZ450F, einen 2020 Dodge Charger Hellcat Widebody und noch ein paar andere Gefährte aus und blochen durch die Gegend. Schon während dem ersten grossen Action Set Piece zeigt sich das Problem der Actionszenen im Film: Sie wollen nicht enden. Klar, eine Verfolgungsjagd ist aufregend und cool. Und eine Schiesserei auch. Faustkämpfe auch. Und unsere geliebten Hauptfiguren, die durch ein Minenfeld müssen: Da klappern die Zähne.
Wenn du das aber alles aneinanderreihst und über gefühlte 25 Minuten hinweg einfach mal so dahinplätschern lässt, dann wird das irgendwann langweilig. Vor allem auch darum, weil der Film immerhin zweieinhalb Stunden lang dauert und du weisst, dass da alle lebendig aus der ersten Konfrontation mit Jakob Toretto (John Cena) in einem 2015er Ford Mustang GT 350 herauskommen.
Das zieht sich dann durch. Wenn Vin Diesel mit plötzlich auftauchenden Superkräften mindestens 15 der 50 «besten Männer» einer trainierten Privatarmee aufräumt, ihnen ein ganzes Gebäude auf den Kopf wirft und dann ins Wasser fällt… ginge das nicht auch in der Hälfte der Zeit?
Der Film, der sich selbst kennt
Oder, andere Idee: Es würde funktionieren, wenn da eine echte Bedrohung wäre. Aber auch da vernachlässigt der Film eine saubere Story. Da ist eine ganze Armee hinter Dom Toretto und Co. her. Mit Maschinengewehren. Im Dschungel. In einem Minenfeld. Roman Pearce (Tyrese Gibson) ist umzingelt und unbewaffnet. Er wird von mindestens zehn Soldaten beschossen und hat nicht einmal einen Kratzer. Danach fahren Dom und Letty im Charger – die Yamaha gibt irgendwann den Geist auf – über eine Klippe, verhaken ein loses Seil im rechten Vorderrad des Chargers und schwingen sich über eine kilometertiefe Schlucht, landen auf der anderen Seite, überschlagen sich ein paar Mal und bleiben unverletzt.
Kein Wunder hat Roman dann in einer der besten Szenen des Films die Idee, dass er kein normaler Mensch sei. Er spricht offen aus, was das Publikum seit mindestens vier Filmen denkt: Torettos Familie ist unverwundbar. Eine Bande Übermenschen, die zufällig noch Auto fährt. Nach dem Spin-Off-Film «Hobbs and Shaw» ist das nicht einmal dermassen abwegig.
So wie der Film steht, rettet auch Romans Selbsterkenntnis nichts. Denn die Serie ist mittlerweile so verfahren, dass es nicht mehr möglich ist, eine physische oder virtuelle Bedrohung für unsere Hauptfiguren und damit Spannung zu schaffen. Indem dann auch noch die Actionszenen zu lange und daher zu langweilig werden, ist der Film eine recht dröge Veranstaltung, die sich einfach mal so in die Ewigkeit hinzieht.
Ja, aber die Familie!
Ich bin wie du. Ich mag den Aspekt der Familie in der «Fast Saga», wie sich die Filmserie neu verstanden sehen will. Da ist eine Truppe von Archetypen, allesamt badass. Sie sind sich gegenüber so loyal wie wir es damals auf dem Klettergerüst im Kindergarten waren. Es sind simple und stupide Botschaften, die im Kontext der rein fiktiven Subkultur der Strassenrennfahrer schlau und wichtig klingen. Eine Verbundenheit, die vielen in der echten Welt fehlt, vielleicht?
Alle Philosophie beiseite: Es ist die Chemie zwischen den Charakteren, die die Serie ausgemacht haben und die sogar den Sprung zwischen Wolkenkratzern plausibel haben erscheinen lassen.
Bei zweieinhalb Stunden Laufzeit sollte eigentlich genug Zeit sein für Momente, in denen Dom und Letty sich liebhaben. In denen Roman und Tej sich gegenseitig anfeilen. Und in denen The Rock – der in diesem Film schmerzhaft abwesend ist – blöde Sprüche fallen lässt. Mia redet über Brian, der grad zufällig nicht im Bild steht. Das ist es, was die Serie ausmacht, nebst der Action. Das ist es, was ich nebst der Action sehen will.
Nur leider verzettelt sich der Film auch da. Letty und Dom sehnen sich insgeheim als Eltern zurück ins Leben, in dem geschossen und rumgefahren wird. Dann ist noch zu erklären, wie Han (Sung Kang) noch lebt und es wäre allenfalls noch nett, wenn wir wüssten wieso Sean (Lucas Black) auf einmal in Deutschland ist. Dann hat Han noch seine eigene Familie, mit eigner Backstory und Blablabla. Es ist doch alles Quatsch, wenn es nur in Nebensätzen erklärt wird und ohnehin von den vermurksten Flashbacks in die Jugend der Toretto-Brüder – nicht aber der einen Toretto-Schwester, die auch existiert – überschattet.
Nach zweieinhalb Stunden donnert dann Skepta und Pop Smokes «Lane Switcha» aus den Kinolautsprechern und ich falte die Decke des Pathé-Betts. Der Film ist so blöd, dass ich nicht mal unterhalten war.
Was für ein Unsinn.
Schade.
Aber schöne Autos.
So. Fertig. Und natürlich bin ich bei Teil 10 wieder im Kino. Keine Frage.
Update
In der Kommentarspalte hat Leser Migu13 behauptet, dass der Tresor-Stunt im fünften Teil unrealistisch sei. Dabei ist der Stunt einer der bedeutendsten Auto-Stunts des vergangenen Jahrzehnts und mit viel Raffinesse und Trickserei bis auf fünf Sekunden mit practical effects gemacht. Daher:
Danke an Migu13 für die Inspiration. So macht das Spass.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.