LG OLED G1 Review: Die Mutter aller Evolutionen?
Produkttest

LG OLED G1 Review: Die Mutter aller Evolutionen?

Luca Fontana
7.6.2021

LG bringt mit dem G1-Modell nicht nur eine Evolution, sondern setzt die Messlatte für alle kommenden TV-Tests verdammt hoch. Ausser beim Betriebssystem. Das ist sche*sse.

Der G1, eine OLED-Evolution. Das sagt LG seit der CES 2021 vergangenen Januar, und meint damit – für meine Begriffe – eher sowas wie Revolution. Der südkoreanische TV-Hersteller will nämlich die zweitgrösste Schwäche der OLED-Bildschirme ausgemerzt haben: deren Helligkeit.

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Organische LEDs leuchten nämlich traditionell weniger hell als die Hintergrund-LEDs von LCD-Fernsehern. In lichtdurchfluteten Wohnzimmern stossen OLEDs darum oft an ihre Grenzen. Das soll sich ändern. Mit dem «OLED evo»-Panel. Dieses wird allerdings nur in der G-Serie verbaut. Dem G1, also. Das «G» im Namen steht für «Gallery»-Modell, das sich in den Jahren zuvor nur in Punkto Design von der C-Serie, der Mainstream-Serie, unterschieden hat.

LG OLED55G19 (55", OLED, 4K, 2021)
TV
Energielabel G

LG OLED55G19

55", OLED, 4K, 2021

LG OLED65G19 (65", OLED, 4K, 2021)
TV
Energielabel G

LG OLED65G19

65", OLED, 4K, 2021

LG OLED77G19 (77", OLED, 4K, 2021)
TV
Energielabel G

LG OLED77G19

77", OLED, 4K, 2021

LG OLED55G19 (55", OLED, 4K, 2021)
Energielabel G

LG OLED55G19

55", OLED, 4K, 2021

LG OLED65G19 (65", OLED, 4K, 2021)
Energielabel G

LG OLED65G19

65", OLED, 4K, 2021

LG OLED77G19 (77", OLED, 4K, 2021)
Energielabel G

LG OLED77G19

77", OLED, 4K, 2021

Jetzt ist die G-Serie nicht mehr nur optisch, sondern auch hardwaretechnisch das Beste, was LG zu bieten hat.

Design und Anschlüsse

Ja, es gibt Standfüsse, die du dazu kaufen könntest. Aber wenn LG das rechteckige Ding, das dein neuer Fernseher sein könnte, schon Gallery nennt, dann, weil es wie ein Bild in einer Galerie an die Wand gehängt werden soll. Entsprechend die Architektur: Statt wie üblich oben ein ultradünnes Panel zu haben, das praktisch nur aus OLED-Schichten besteht, während unten die dicke Ausbuchtung für Hardware und Anschlüsse kommt, ist LGs G1 gleichmässig dick. Oder dünn. Wie du’s drehst.

In Zahlen: 2 Zentimeter. Egal, wo du den TV misst.

Mega dünn – von diesen Modelmassen träume ich nachts.
Mega dünn – von diesen Modelmassen träume ich nachts.

Zusammen mit der mitgelieferten Wandhalterung lässt sich der TV bündig zur Wand befestigen. Dafür hat’s auf der TV-Rückseite entsprechend perfekt passende Einbuchtungen, in denen sich die «Arme» der Wandhalterung verstecken, sobald du den TV ganz an die Wand drückst.

Freunde der Wandmontage: Das sieht toll aus.

LGs G1 in all seiner Pracht
LGs G1 in all seiner Pracht

Eine Wandhalterung ist Fluch und Segen zugleich. Irgendwo müssen die ganzen Kabel hin. Bei mir siehst du sie nicht, weil die LG-Mitarbeiter, die mir den 65-Zoll-Fernseher zum Testen vorbeigebracht haben, die Kabel durch ein Loch in der Wand zum Strom und zu den Abspielgeräten führen.

Apropos, Anschlüsse:

  • 4x HDMI 2.1-Anschlüsse
  • eARC via HDMI 3
  • VRR, G-Sync, FreeSync und ALLM wird auf allen Eingängen unterstützt
  • 1x Ausgang für Toslink
  • 3x USB-2.0-Ports
  • 1x LAN-Port
  • Unterstützt AirPlay 2
Die Anschlüsse des LG G1
Die Anschlüsse des LG G1

Falls du dich das fragst: Ja, LGs HDMI-2.1-Anschlüsse beherrschen noch immer nicht die volle HDMI-2.1-Bandbreite von 48 Gigabits pro Sekunde (Gbit/s), sondern «nur» 40 Gbit/s. LG findet, dass ihre intelligenten Bild- und Ton-Optimierungsprozesse bessere Ergebnisse erzielen, wenn Rechenkapazität vom HDMI-2.1-Port abgezogen und stattdessen den AI-Funktionen zugewiesen wird. Ich bin ja eh der Meinung, dass die Bandbreite auf diesem Niveau für Film- und Serienfans kaum einen Unterschied macht.

Immerhin hat LG mittlerweile viele Kinderkrankheiten des 2019 erstmals eingeführten HDMI-2.1-Standards ausgemerzt. Etwa verwaschenes Grau in dunklen Bildbereichen bei aktiviertem VRR oder Flimmern und Stottern trotz aktiviertem VRR.

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Selbst das «raised black level at near black areas»-Problem will LG gelöst haben. Zumindest für Gamerinnen und Gamer. Dazu später mehr.

Jetzt zum Bild.

Das Bild: Eine Augenweide sondergleichen

Den Anfang macht «Jurassic World: Fallen Kingdom». Den Film habe ich bereits auf so vielen Fernsehern gesehen, dass ich schnell erkenne, was mir am Bild gefällt, wo die Schwächen sind, und wo die Stärken.

Und – läck, Bobby – ich mag das Bild, das der G1 da produziert.

Ich bin vom Anblick des T-Rex deutlich begeisterter als der Park-Mitarbeiter.
Ich bin vom Anblick des T-Rex deutlich begeisterter als der Park-Mitarbeiter.
Quelle: UHD-Blu-Ray, Dolby-Vision-Qualität. Timestamp: 00:05:07

Achte dich auf die ledrige Dinohaut, die genoppte Zunge, die einzelnen Regentropfen. Detailwiedergabe vom Feinsten. Dazu das angenehm satte und warme Grün des Dschungels im Hintergrund. Da habe ich in Vergangenheit Sachen gesehen, die eher einem türkisgrünen Gestrüpp glichen. Vor allem, wenn der Fernseher ab Werk die Farbtemperaturen eher etwas zu kalt eingestellt hatte.

Gehen wir etwas näher ran.

LG G1
LG G1
Quelle: Juni 2021

Im pechschwarzen Rachen gehen ein paar Details verloren. Black Crush. Das ist nicht so schlimm. Sieht bei den meisten anderen OLED-Herstellern genau gleich aus. Dafür gefällt der dunkle Sternenhimmel im Hintergrund, der trotz dem satten Schwarz keine Sternen verschluckt. Das sieht beim diesjährigen Sony A90J etwas anders aus.

Sony A90J
Sony A90J
Quelle: Mai 2021

Das Sony-Bild habe ich im Test vergangenen Monat noch als «warm» bezeichnet. Im Vergleich mit LGs G1 ist das aber wie Tag und Nacht. LG schlägt Sony in dieser Szene um Längen: Die Farben sind herrlich knallig, satt und gleichzeitig deutlich natürlicher.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im farbenfrohen «Guardians of the Galaxy, Vol. 2» ab.

Drax ist einfach zum Verlieben ehrlich und direkt.
Drax ist einfach zum Verlieben ehrlich und direkt.
Quelle: Disney+, Dolby-Vision-Qualität. Timestamp: 00:56:47

Es ist eine grandiose Szene, in welcher der gefürchtete und für seine blutroten Tattoos berüchtigte Drax the Destroyer im Orangerot des spektakulären Sonnenuntergangs erklärt, dass hässlich zu sein was Gutes ist: Wenn jemand einen trotzdem liebt, dann weiss man, dass die Liebe echt ist. Jöö.

Gehen wir etwas näher ran:

LG G1
LG G1
Quelle: Juni 2021

Und so sieht’s bei Sony aus:

Sony A90J
Sony A90J
Quelle: Mai 2021

Rein von diesem Foto her würde ich Sony in dieser Szene ein natürlicheres, weil kälteres und dadurch weniger knallig orangenes Bild bescheinigen. Das wäre aber nicht im Sinne des Regisseurs James Gunn.

Der hat nämlich für diese Szenen auf dem malerischen Planeten Ego das Übertriebene, das scheinbar Schöne, aber eigentlich doch Falsche gesucht – auch in dessen Look. Schliesslich ist der Planet gleichzeitig ein böses Bewusstsein, das sein Saatgut wortwörtlich auf allen anderen Planeten des Universums pflanzen und dadurch kontrollieren will.

Das spiegelt sich auch in anderen Szenen aus dem gleichen Film. Zuerst LG:

LG G1
LG G1
Quelle: Juni 2021

LG trifft jeden gesuchten Farbton mit einer verblüffenden Sicherheit. Und das, ohne dass ich in den Einstellungen irgendwas verändert hätte. Allerdings bevorzuge ich den «Dolby-Vision-Cinema-Home»-Modus. Der ist etwas wärmer als der «Standard»-Dolby-Vision-Modus und kommt dem, was Koloristen in Hollywood auf ihren Dolby-Vision-kalibrierten Monitoren beabsichtigt haben, wohl am nächsten.

Das zeigt sich gut im Vergleich mit dem Sony-OLED-TV: Den habe ich zwar auch im Dolby-Vision-Modus getestet, der kennt aber nur Dolby Vision «hell» und «dunkel»:

Sony A90J, Dolby Vision hell
Sony A90J, Dolby Vision hell
Quelle: Mai 2021

Hier fehlt mir der Grünton zwischen dem ozeanblauen Himmel und dem orangeroten Feld des Planeten Ego, der eigentlich da sein müsste. Das habe ich schon im Sony-Test bemängelt. Dazu holt LG im Hintergrund ein wenig mehr Details aus dem heraus, was wohl sowas wie ein Kornfeld sein könnte.

Eine letzte UHD-HDR-Vergleichsszene habe ich noch. Sie stammt aus «Blade Runner 2049». Zuerst wieder LG:

LG G1
LG G1
Quelle: UHD-Blu-Ray, Dolby-Vision-Qualität, Juni 2021. Timestamp: 00:43:25

Auch hier besticht LGs G1 durch seine präzise und natürliche Farbwiedergabe. Achte auf die Hauttöne. Bei Sony, unten, haben alle Figuren einen bläulichen Look. Der ist in Natura zwar nicht ganz so schlimm, wie es das abfotografierte Bild suggeriert, aber für meinen Geschmack trotzdem etwas zu stark. Noch beeindruckender ist allerdings, was der LG-Prozessor im Hintergrund macht.

Schau mal bei der Hausfassade um den roten «Ban»-Schriftzug links genau hin. Oder auf die Fläche um die drei Werbebanden rechts im Bild herum.

Sony A90J
Sony A90J
Quelle: UHD-Blu-Ray, Dolby-Vision-Qualität, Mai 2021. Timestamp: 00:43:25

Siehst du das rauschige Bild Sonys? Das strotzt nur so vor Bildartefakten. Sicher, Puristen könnten sagen, dass Sony sich da bewusst zurückhalte. Unter Cineasten gelten kleinere Makel im Bild nämlich als etwas, das das Kinofeeling ausmache. Ein vom Prozessor zu gut gesäubertes Bild verpönen sie; das perfekte Bild gebe es nur in der digitalen Filmografie, und die sei kein echtes Kino.

Nur: Den Film schaue ich im Dolby-Vision-Cinema-Home-Modus. Die dynamischen Dolby-Vision-Metadaten sagen dem Fernseher Frame für Frame, wie sich der Regisseur das Bild vorstellt. Wenn’s bei LG in dieser Szene also keine Artefakte im Bild hat, dann nicht, weil der Prozessor zu aggressiv arbeitet, sondern, weil Regisseur Denis Villeneuve das genauso gewollt hat.

Prozessor. Gutes Stichwort.

LGs Prozessor: So potent wie eh und jeh

In LGs G1 steckt der Alpha-9-Prozessor der vierten Generation. Der steckt in allen 2021er-OLED-TVs von LG ausser in der A- und B-Serie; die haben den Alpha-7-Prozessor der vierten Generation. Dieser entspricht laut LG-Informationen etwa dem Leistungsstand des letztjährigen Alpha-9-Prozessors der dritten Generation.

Zum Erklären, wozu der Prozessor im Fernseher da ist, nutze ich gerne die Metapher des Prozessors als «TV-Gehirn». Seine Hauptaufgabe besteht darin, Bildsignale zu empfangen, zu verarbeiten und darzustellen. Verarbeiten heisst, dass er miese Bildqualität erkennt und sie aufwertet.

Etwa wie oben in «Blade Runner 2049». Oder, wenn du eine Serie wie «The Walking Dead» schaust. Die ist bewusst auf 16mm-Film aufgenommen worden. So, dass eine altmodische Körnung samt Bildrauschen das Gefühl einer kaputten, postapokalyptischen Welt erzeugt.

Die berüchtigte Negan-Szene aus Staffel 7, Episode 1.
Die berüchtigte Negan-Szene aus Staffel 7, Episode 1.
Quelle: Netflix, HD-SDR-Qualität. Timestamp: 00:02:30

Das Bild bestätigt einmal mehr: LGs Prozessoren sind besonders gut im Aufwerten minderwertiger Quellen. Denn das da oben ist eine HD-Quelle mit SDR-Qualität, deren etwa 2 Millionen Pixel auf 8,3 Millionen Pixel aufgeblasen werden.

Dazu noch etwas Rauschen unterdrücken, Kanten glätten und Farben verstärken. Voilà: Der Prozessor, das Gehirn des Fernsehers, hat seine Arbeit getan. Zum Vergleich: So sieht die Szene auf einem Samsung-Fernseher aus:

Samsung Q95T
Samsung Q95T
Quelle: Januar 2021

Samsungs LCD-Screen ist heller. Tagsüber ein Vorteil. Dafür hat LGs OLED-Bild mehr Schwarz. Mehr Sättigung. Mehr Punch. Sein Prozessor zeichnet auch die Konturen besser nach. Hat ein bisschen mehr Details. Und im Hintergrund zwischen den beiden Männern rauscht es sichtbar weniger. Das könnte aber auch am leicht vorhandenen Black Crush liegen.

Allerdings… die Szene spielt nachts, im Wald. Bei LG sehe ich das. Bei Samsung sieht’s eher nach Dreh im Studiolicht aus.

Anderer Film. «1917» von Regisseur Sam Mendes. Ich will sehen, wie gut die Reaktionszeit der Pixel ist. Sie beschreibt, wie lange ein einzelnes Pixel braucht, um seine Farbe zu wechseln. Denn wechseln die Pixel ihre Farben nicht schnell genug, sieht das für dich so aus, als ob das Bild Schlieren ziehen würde. Du hast das womöglich schon beim Fussball gesehen. Oder Tennis. Dann, wenn der Ball sich so schnell bewegt, dass er eine Art Schweif hinter sich herzieht, weil manche Pixel immer noch einen Ball anzeigen, obwohl er schon lange weg ist.

In der unteren Szene geraten Prozessoren vor allem im Bereich um die Helme der beiden Soldaten herum ins Schwitzen. Da ist zum einen die harte, stählerne Kante, zum anderen Gestrüpp, Geäst und Details ohne Ende – und das in einer gleichmässigen, langsam fliessenden Bewegung. Zu viel für die meisten Prozessoren.

Nicht für LGs Alpha-9-Prozessor.

Ich habe bei meinen Fernseher-Tests noch selten erlebt, dass ein Prozessor diese Szene ohne Schlieren um die Helme der beiden Soldaten herum bewältigt hat. Zum letzten Mal bei Sonys A90J.

Sonys XR-Prozessor hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr aber stark verbessert. Auch im Motion Processing. In dem Bereich gefällt mir Sonys A90J gar besser als LGs G1. Problematisch ist dort nämlich die unter puristen unbeliebte Zwischenbildberechnung – Black Frame Insertion (BFI) –, die Bewegungen zwar weicher, flüssiger und schärfer, dafür aber Seifenoper-mässig macht. Gerade bei Filmen mit ihren 24 Bildern pro Sekunde sind wir uns das nicht gewohnt.

Du erinnerst dich bestimmt noch an den Aufschrei, als «The Hobbit» mit 48 Bildern pro Sekunde ins Kino kam, oder?

Bei LG jedenfalls kannst du in den Einstellungen unter «TruMotion» selber dran rumwerkeln, wie stark der Prozessor ins Motion Processing eingreifen darf. Meine bevorzugte Einstellung, die’s erst seit 2021 gibt: «Cinematic Movement». Die schaltet Motion Processing nicht komplett aus, sondern berechnet ein Zwischending aus den cineastischen 24 Bildern pro Sekunde und… nun, etwas mehr als das.

Ein guter Kompromiss.

Das neue Betriebssystem: webOS 6.0

Das neue webOS. Selten gab’s eine grössere mittelgrosse Revolution der beliebten Smart-TV-Benutzeroberfläche LGs. So beliebt gar, dass der südkoreanische Hersteller mit grösseren und kleineren Partnern in Verbindung steht, um sein webOS zu lizenzieren.

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Die neue Version – webOS 6.0 – wird aber vorerst nur auf 2021er LG-TVs laufen. Kein Firmware-Update also für ältere TVs. Womöglich ist das gut so. Erstens, weil fremde und ältere LG-Prozessoren offenbar nicht genug Power haben, um mit der neuen Benutzeroberfläche flüssig und ruckelfrei umzugehen. Zweitens, weil das komplett überarbeitete Design sch… schöner hätte sein können.

Es erinnert viel zu stark an Googles verpöntes Android TV.

Das Problem? Das Design. Das alte webOS war schlicht. Schlank. Beim Druck auf die Hometaste öffnete sich nur eine App-Leiste am unteren Bildschirmrand. Jetzt öffnet sich ein ganzes Fenster voller Kacheln. Das wirkt bumsvoll und überladen. Google hat das Problem auch. Google hat aber sein Betriebssystem mit dem neuen Google TV immerhin etwas entschlackt. LG macht das Gegenteil.

Wieso, LG!?

Neu sind am oberen Rand drei grosse Kacheln. Wetter links, in der Mitte Tipps, was der neue TV alles kann (danke?), und rechts eine Such-App. Darunter eine Zeile mit vorgeschlagenen Inhalten. Eigentlich sollten da Inhalte aus allen Streaming-Apps auftauchen, die ich benutze. Angezeigt werden aber nur Disney+-Inhalte, die rein gar nichts mit dem zu tun haben, was ich sonst so auf Disney+ schaue. Vier Wochen haben der KI wohl noch nicht ausgereicht, mein Sehverhalten korrekt zu analysieren – ein bisschen, zumindest.

Dann folgt die App-Leiste. Die wichtigste Leiste. Sie ist jetzt die kleinste Leiste. Wer auch immer sich das ausgedacht hat: Bravo. Ja, das ist sarkastisch gemeint.

Von hier an muss ich runterscrollen. Das ist genauso unsexy wie das Kuddelmuddel aus Kacheln, die mir angeschlossene Geräte, den Smart-Home-Hub und weiss-der-Kuckuck-was-noch-alles anzeigen. Gedöns, wo das Auge hinreicht. Ich merke, wie ich langsam zur «Früher war alles besser»-Fraktion wechsle.

Gaming: LG empfiehlt sich auch dieses Jahr

LGs OLEDs gelten als sehr gute Gaming-TVs und -Monitore für die nächste Konsolen- und Grafikkartengeneration. Dafür sprechen die üblichen Argumente: Tiefer Input Lag, OLED-Pixel typische schnelle Reaktionszeiten, G-Sync- und FreeSync-Unterstützung.

LG hat darauf aufgebaut. Zunächst will der Hersteller ab der zweiten Jahreshälfte – also, mehr oder weniger ab jetzt – Google Stadia als integrierte App in webOS 6.0 anbieten. Gefunden habe ich sie noch nicht. Viel spannender ist aber das neue, schicke Untermenü in den Einstellungen.

Der Game Optimizer.

Der erscheint dort, wo du beim Druck auf die Zahnrädchen-Taste auf der Fernbedienung schon zu den Bild- und Toneinstellungen gelangst. Im Game Optimizer kannst du einfach und schnell game-basierte Einstellungen vornehmen. Dinge wie die variable Bildrate (VRR) aktivieren oder den HDR-Effekt verstärken. Oder gleich das Game-Genre verändern. Sportspiel. Rennspiel. Ego-Shooter. So, dass du nicht selber an den perfekten Einstellungen rumfummeln musst.

Mit dem Input-Lag-Tester von Leo Bodnar messe ich im Standard-Game-Mode einen durchschnittlichen Input Lag von ausgezeichneten 12,36 Millisekunden, ohne allzu schwerwiegende Einbussen in Punkto Bildqualität zu erkennen. Nice.

LG bietet Gamerinnen und Gamern zudem auch die Möglichkeit, das «Raised black level at near black areas»-Problem zu lösen. Sprich: Bei aktiviertem VRR kam es bei manchen LG-TVs vor, dass Details in dunklen Bildbereichen verschluckt wurden. Mit einem Regler kannst du jetzt selber die Helligkeit in jenen dunklen Bildbereichen nach oben korrigieren. Wenn du willst auch überkorrigieren – so, dass du im Schatten versteckte Gegner schneller siehst.

Gute Sache.

Die Evolution: Was ist jetzt mit der Helligkeit?

Eingangs habe ich die neue «Evo»-Technologie, die LG nur in seiner 2021er G-Serie verbaut hat, angekündigt. Damit soll sich die Gallery-Serie neu noch deutlicher von den anderen Serien abheben. Entsprechend viel teurer ist sie auch. Der «kauf dir einfach die günstigere C-Serie, gleiches Panel, anderer Standfuss»-Tipp gilt darum nicht mehr.

Leider.

LG will vor allem an der maximalen Helligkeit gearbeitet haben. Das scheinen die meisten Tests zu bestätigen. Vincent Teoh zum Beispiel, Youtuber und TV-Tester extraordinaire, misst 788 Nits. Das entspricht einer Verbesserung von 30 Prozent im Vergleich zum Vorgänger, dem GX, der erstmals weniger hell strahlte als dessen alte 2019er- und 2018er-Vorgänger, die C9- und C8-Modelle.

Also zurück auf Feld eins? Nicht ganz. LGs G1 kommt zwar auf ähnliche Helligkeitswerte wie die C9- und C8-Modelle, er muss die OLED-Pixel dafür aber mit deutlich weniger Strom versorgen. Das macht die OLED-Pixel des G1 langlebiger und reduziert das Burn-In-Risiko.

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Bevor du dich jetzt aufregst, weil oben das tiefrote G im Energielabel alles andere als einen geringeren Stromverbrauch suggeriert: Das liegt an der Anpassung der Energieklassen, die erst seit März 2021 gilt. Sowas wie «A+++» gibt’s jetzt nicht mehr. Die Skala geht nur noch von A bis G. Entsprechend runter gerutscht sind viele Elektrogeräte, obwohl sie ihren Verbrauch verbessert haben; ältere Modelle sind von dieser Änderung nicht betroffen.

Jedenfalls: Gross was von der erhöhten Maximalhelligkeit habe ich im Alltag nicht bemerkt. Im Nachgang überrascht mich das auch nicht. Einfach ausgedrückt: Die erhöhte Maximalhelligkeit betrifft vor allem extrem helle Bildbereiche. Sonnen. Laternen. Weisse Flächen. Also meist kleine Bildbereiche, nicht das Bild in seiner Gesamtheit an sich.

Ein Beispiel aus «Jurassic World: Fallen Kingdom». Zuerst LGs G1:

LG G1, 2021
LG G1, 2021

Jetzt LGs GX:

LG GX, 2020
LG GX, 2020

Würden sämtliche Pixel pauschal 30 Prozent heller leuchten, wäre das Bild zwar deutlich heller, aber die Farben würden blasser wirken. Als ob du im Kino das Licht einschalten würdest und das Bild dadurch blasser würde.

Die 30 Prozent mehr Maximalhelligkeit stecken in diesem Beispiel aber vor allem in der Sonne. Ein sehr kleiner Bereich des Bilds. Gefühlt ist es darum gar nicht so viel heller. Eher etwas dunkler. Wohl, weil ich den Film beim G1 in Dolby-Vision-Qualität getestet habe, beim GX hingegen hatte ich noch einen alten, nur HDR10-fähigen UHD-Blu-Ray-Player. Nimm es mit dem Vergleich hier darum nicht zu genau.

Summa Summarum: Ja, LGs Evo-Panel ist heller als sein Vorgänger. Nein, es ist nicht so hell wie seine LCD-Konkurrenz. Das wäre kaum mit dem OLED-typischen perfekten Schwarz zu vereinbaren – eine Revolution, die erst die Micro-LED-Bildschirme hinkriegen werden.

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Noch ist das aber Zukunftsmusik.

Fazit: Evolution geglückt?

Offiziell hat LG keine Revolution versprochen. Nur eine Evolution. Auch das klingt spektakulär, aber seien wir ehrlich: Vom selbsternannten OLED-Pionier ist es das Mindeste, was ich bei einem neuen Modell erwarte. Durch LGs Marketingblume habe ich nämlich eher auf eine Revolution gehofft.

Schlussendlich bleibt der G1 bei der Evolution: Er hat das bereits hervorragende Gesamtpaket des vergangenen Jahres genommen und an vielen Stellen verbessert. Etwa bei der Farbwiedergabe, dem überarbeiteten Gaming-Modus und dem Prozessor, der Inhalte minderwertiger Quellen effizient verarbeitet und darstellt. Insgesamt ein grandioser Fernseher, der G1, der mir insgesamt etwas besser gefallen hat als Sonys hervorragender A90J.

Einzig webOS 6.0 bleibt ein Wermutstropfen. Ich mochte die alte, schlichtere Version. Die neue macht nichts besser und vieles schlechter. Wozu Platz verschwenden für unnötiges Gedöns wie Wetterbericht oder vorgeschlagene Inhalte? Ein Mysterium. Hoffen wir, dass webOS 7.0 besser wird.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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