Patrick Bardelli
Produkttest

Nichts für mich: Garmin «Varia Vue» Frontlicht mit Dashcam

Seit Kurzem gibt es von Garmin das neue «Varia Vue». Nach einem Monat mit dem Frontlicht mit integrierter Dashcam am Gravelbike lautet mein Fazit dazu: Danke, aber nein Danke.

Es gibt Elektronik fürs Velo, die ich sehr schätze. Wie zum Beispiel Fahrradcomputer oder ein damit gekoppeltes Rücklicht mit integrierter Radarfunktion. Dieses Gadget hat mich schon oft gewarnt – etwa, wenn auf Feldwegen ein Bauer mit dem Traktor herangebraust oder ein S-Pedelec nahezu lautlos von hinten herangeflogen ist.

Aber wie viel Technologie braucht's am Fahrrad wirklich? Diese Frage habe ich mir kürzlich gestellt und dabei nicht elektronische Schaltungen oder absenkbare Sattelstützen hinterfragt, sondern alle die Gadgets, die ich mir ans Bike schraube. Meine Erkenntnisse dazu kannst du hier nochmals in Ruhe nachlesen.

  • Meinung

    Braucht’s diese Bike-Gadgets wirklich?

    von Patrick Bardelli

Und dann sind da Produkte, die auf den ersten Blick aufregend sind, auf den zweiten jedoch überflüssig. Zumindest für mich.

Garmin «Varia Vue»

Ein solches ist das neue «Varia Vue» von Garmin. Der Hersteller hat mir das Gerät freundlicherweise für diesen Test zur Verfügung gestellt, wobei ich es danach wieder zurückgebe. Dabei habe ich technisch im Prinzip nichts an diesem Frontlicht auszusetzen.

Hat man erstmal den für Garmin leider oft üblichen Marathon der Inbetriebnahme inklusive Koppelung(en) und Software-Updates erfolgreich hinter sich gebracht, funktioniert das soweit alles einwandfrei. Das Licht leuchtet, die Kamera nimmt auf. Dabei kann die Aufnahmequalität auf 4K oder eine niedrigere Auflösung, wie etwa 1080p, eingestellt werden. Die Kamera nimmt kontinuierlich auf oder, bei Kopplung mit einem kompatiblen Varia-Radar, im Radarmodus.

Die Steuerung erfolgt entweder in der Varia-App, über einen kompatiblen Edge-Fahrradcomputer oder ausgewählte Garmin Smartwatches. Ich habe mich für die Variante mit der App entschieden.

Die Dashcam kann in zwei Modi aufnehmen.
Die Dashcam kann in zwei Modi aufnehmen.
Für das Garmin Varia Vue Frontlicht stehen unterschiedliche Modi zur Verfügung.
Für das Garmin Varia Vue Frontlicht stehen unterschiedliche Modi zur Verfügung.

Die Leuchte hat eine Maximalleistung von bis zu 600 Lumen und kann diese in verschiedenen Modi abgeben. Je nach Einstellung hat dies einen Einfluss auf die maximale Akkuleistung. Im Voll-Lichtmodus mit 550 Lumen und 4K-Aufnahme gibt der Hersteller 1.25 Stunden an. Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen. Im Tag-Blinkmodus mit 600 Lumen und 1080p sollen es dann bis zu sieben Stunden sein.

Das Gerät unterstützt microSD-Speicherkarten der Klasse 10 oder schneller mit mindestens 8 bis maximal 512 GB. Die Speicherkarte muss separat dazugekauft werden. Positiv ist die Tatsache, dass die gespeicherten Videos direkt in der App geschnitten werden können. Hier ein Beispielvideo. Aus Datenschutzgründen habe ich bewusst eines ohne andere Verkehrsteilnehmende ausgewählt (dazu gleich mehr).

Rechtlich recht kompliziert

Fassen wir kurz zusammen: Für 550 Franken bekomme ich von Garmin ein Velolicht, das Aufnahmen von brenzligen Verkehrssituationen machen kann. So weit, so gut. Aber wie sieht das eigentlich rechtlich aus? Sind solche Aufnahmen bei einer allfälligen Auseinandersetzung vor Gericht überhaupt zulässig? Es ist, wie hätte es auch anders sein können, kompliziert.

Bei meiner Recherche dazu bin ich unter anderem auf die Kanzlei SMS gestossen. Auf deren Webseite ist zu lesen:

Das Schweizerische Strafgesetzbuch schützt die Geheim- und Privatsphäre (vgl. Art. 179quater StGB). Was sich in der Öffentlichkeit abspielt und von jedermann wahrgenommen werden kann, fällt nicht unter die Strafnorm. Aufnahmen von Dashcams und private Handy-Videos des öffentlichen Strassenverkehrs sind strafrechtlich nicht verboten. Aufnahmen von Daten, anhand derer Personen oder Autokennzeichen bestimmbar sind, fallen aber unter das Datenschutzgesetz (DSG). Demnach müssen insbesondere die Beschaffung der Daten und der Zweck der Datenbearbeitung für die von der Aufnahme betroffene Person ersichtlich sein (vgl. Art. 4 Abs. 4 DSG).
Darf ich überhaupt andere Verkehrsteilnehmende aufnehmen?
Darf ich überhaupt andere Verkehrsteilnehmende aufnehmen?

Und auch die Baloise Versicherung hat sich zum Thema ihre Gedanken gemacht. Auf der Webseite des Unternehmens steht dazu unter anderem Folgendes:

Mit einer Dashcam betreibt man als Privatperson Videoüberwachung auf öffentlichem Grund. Für eine solche Überwachung gelten sehr enge Grenzen, insbesondere bei der Aufzeichnung von anderen Personen und Fahrzeugkennzeichen. Wer solche Dashcam-Aufnahmen macht, verstösst nach Meinung des eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gegen die Grundsätze des Datenschutzgesetzes. Allerdings: Einige Juristen widersprechen dem EDÖB, und tatsächlich ist die rechtliche Situation im Moment ungeklärt. Eindeutig ist aber: Wer Dashcam-Aufnahmen im Web publiziert, auf denen Personen oder Fahrzeugkennzeichen erkennbar sind, verletzt die Persönlichkeitsrechte anderer Personen und kann auf dem Zivilweg dafür belangt werden.

Der Hersteller selbst informiert potenzielle Kundinnen und Kunden im Kleingedruckten auf seiner Webseite dazu wie folgt:

In einigen Gerichtsbarkeiten ist die Verwendung dieser Kamera gesetzlich geregelt oder untersagt. Du musst dich mit den Gesetzen und Rechten auf Privatsphäre vertraut machen, die in den Gerichtsbarkeiten gelten, in denen du das Gerät verwenden möchtest, und diese einhalten.

Es bleibt also unklar, ob solche Aufnahmen vor Gericht als Beweismittel zugelassen sind. Wenn ich es richtig verstehe, muss das in jedem Einzelfall spezifisch beurteilt werden und liegt vor allem auch im Ermessen der jeweiligen Richterin oder des jeweiligen Richters.

Um den Radar am Heck war ich auch schon im Wald froh. Die Dashcam vorne brauche ich hier jedoch nicht.
Um den Radar am Heck war ich auch schon im Wald froh. Die Dashcam vorne brauche ich hier jedoch nicht.

Fazit

Garmin «Varia Vue»: Wem nützt es?

Wer mich kennt weiss, dass ich am liebsten abseits vielbefahrener Strassen mit Gravel- oder Mountainbike im Gelände unterwegs bin. So gesehen gehöre ich wohl nicht zur Hauptzielgruppe des Garmin «Varia Vue». Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit und wieder nach Hause pendelt und dabei womöglich täglich einige haarige Momente erlebt, gehört wohl eher dazu.

Hier kann der Einsatz einer solchen Dashcam durchaus Sinn machen. Mit der oben beschriebenen rechtlichen Einschränkung. Für mich und meine zweirädrigen Bedürfnisse macht dieses superteure Velolicht de luxe keinen Sinn.

Rein technisch würde das Gerät 5 Sterne bekommen. Einen Stern ziehe ich ab, weil mich der «Garmineffekt» stört: Koppeln, Softwareupdates etc. sind bei dieser Marke immer so eine Sache: mal geht's, mal erst beim 5. Versuch, mal gar nicht, weil man das «falsche» Kabel nimmt. Einen weiteren Stern ziehe ich ab, weil die Dashcam meiner Meinung nach ein unnützes Feature ist, das wahrscheinlich nichts bringt. Einen ziehe ich für den Preis ab, weil der für ein Feature anfällt, das ich (man) nicht brauchen kann und für eine Lampe sind 550 Franken dann doch locker eine Null zu viel.

Pro

  • Produkt tut, was der Hersteller verspricht

Contra

  • extrem hoher Preis
  • rechtlich unklare Lage
Titelbild: Patrick Bardelli

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.

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