Oculus Quest vs. Rift S: Immer ein Kompromiss und doch gibt’s einen Sieger
Die neuste Generation von VR-Brillen setzt auf weniger Kabel und mehr Komfort. Die Oculus Rift S ist das Upgrade der klassischen Rift und die Oculus Quest ist die All-in-One-Mobile-Version. Beide Headsets machen VR ein gutes Stück zugänglicher – besonders eines von beiden.
Die Oculus Rift Consumer Edition war die erste echte VR-Brille für die Massen. Aber auch sie war noch nicht das Gelbe vom Ei. Die Bildqualität liess zu Wünschen übrig, das Tracking war nicht einwandfrei und die vielen Kabel machten auch keine Freude.
Nun holt Oculus mit zwei neuen VR-Brillen zum Doppelschlag aus. Die Rift S funktioniert in Verbindung mit einem PC. Die Oculus Quest ist das All-in-One-Wifi-Modell ohne Kabel oder Computer-Anbindung. Sie in die Schublade einer Gear VR oder Oculus Go zu stecken, ist aber weit verfehlt.
Die technischen Unterschiede
Oculus Rift S | Oculus Quest | |
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Display | LCD 2560 x 1440 / 80 Hz | OLED 3200 x 1440 / 72 Hz |
Tracking-Sensoren | 5 | 4 |
Controller | 2 x Oculus Touch | 2 x Oculus Touch |
Gewicht | 563 g | 571 g |
Ausstattung | 5 Meter Kabel
DisplayPort 1.2 USB-A 3.0 | Qualcomm Snapdragon 835
4 GB RAM 64 GB / 128 GB USB-C |
Spieleauswahl | Tausende. Z.B. Lone Echo, Elite Dangerous oder Subnautica. | Knapp 60 Spiele darunter Beat Saber, Superhot VR und Moss |
Beide Brillen kosten gleich viel. Zumindest wenn man bei der Oculus Quest die 64-GB-Variante in Betracht zieht. Für 128 GB Speicher blätterst du etwas mehr hin. Man könnte meinen, dass die Rift S das Highend-Modell sein müsste, da sie in Verbindung mit einem PC funktioniert. PC-VR-Brillen machen im Vergleich zu den kabellosen traditionell das Highend-Segment aus. Allerdings verfügt die Rift S nur über ein LCD-Display, während die Quest ein OLED besitzt. Dafür trumpft die Rift S mit einer höheren Bildwiederholrate (80Hz vs. 72 Hz), was einer der wichtigsten Faktoren für ein angenehmes VR-Erlebnis ist.
Sowohl die Quest als auch die Rift S setzen auf Inside Out Tracking. Das heisst, du benötigst keine externen Sensoren mehr. Die sind nun im Rand der Displays verbaut. Die Rift S besitzt fünf und die Quest hat vier davon.
Die Quest verfügt über einen Schieberegler mit dem du den Linsenabstand einstellen kannst. Die Rift S löst das per Software. Bei mir und drei weiteren Testern hat das funktioniert, aber falls deine Augen etwas ungewöhnlich weit oder nah beieinander liegen, könnte es zum Problem werden.
Einen Lautstärkeregler direkt am Gerät fehlt der Rift S im Gegensatz zur Quest. Du musst also entweder im Spiel oder über das Menü den Sound regeln.
Die Rift S ist bequemer, dafür nervt das Kabel
Da die Oculus Quest ein All-in-one-Gerät ist, ist sie etwas frontlastiger als die Rift S. Sie setzt auf das gleiche Design wie die alte Oculus Rift. Sie lässt sich einfach aufsetzen und mit drei Klettverschlüssen an unterschiedliche Kopfgrössen anpassen. Die Kopfhalterung lässt sich kippen, so dass du das Headset einfach anziehen kannst. Anfangs empfand ich die Quest trotz des leicht höheren Gewichts (571g vs. 563g) als angenehmer.
Die Rift S setzt auf ein neues Design, das an das der PSVR erinnert. Am Hinterkopf befindet sich eine Drehschraube wie bei einem Velohelm. Die ersten paar Male fand ich es ziemlich umständlich das Teil aufzusetzen, aber nach kurzer Zeit hatte ich den Dreh raus. Die Rift S dichtet an der Nase besser ab und lässt weniger Licht rein als die Quest. Nach einer längeren Testphase muss ich sagen, dass ich die Rift S etwas bequemer finde, als die Quest. Das Gewicht ist gleichmässiger verteilt und die Umrandung, die aufs Gesicht drückt, ist weicher. Dafür nervt das Kabel. Nicht nur ist es eine Stolperfalle, es zieht durch sein Gewicht leicht störend am Hinterkopf.
Die Einrichtung ist ein echtes Highlight
Der Installationsprozess dauert keine fünf Minuten und ist kinderleicht. Ein Oculus-Account ist allerdings zwingend. Für die Quest benötigst du die Oculus-Android- oder iOS-App. Die Rift S schliesst du mit einem USB-A- und einem Display-Port-Kabel an den PC an und lädst dir die VR-Software runter – einfacher geht es kaum.
Danach richtest du deinen Spielbereich ein und das ist ein echtes Highlight. Als erstes bestimmst du, ob du stationär spielen willst oder dich im Raum bewegen möchtest. Für Variante Eins reicht ein Klick und du kannst loslegen. Für Variante Zwei tippst du kurz mit dem Controller den Boden an falls die Brille diesen nicht bereits selber erkannt hat. Anschliessend zeichnest du in dem du den Controller gedrückt hältst deinen Spielbereich ein. Das geniale dabei ist, dass du dank den integrierten Sensoren eine externe Kamera erhältst. Die ist zwar niedrig aufgelöst und nur schwarz weiss, das reicht aber allemal. Das Ganze funktioniert extrem intuitiv. Die Brillen merken sich sogar, wo im Zimmer du dein Spielfeld aufgestellt hast. Wenn du die Brille beiseite legst und später weiter spielst, kannst du einfach zurück in deinen «Pferch» gehen. Die Kamera wird übrigens automatisch aktiv, wenn du dich einem Hindernis näherst, damit du rechtzeitig ausweichen kannst – zumindest fast immer.
Das Interface der Rift S und der Quest ist praktisch identisch. Bei der Rift S drückst du Menü-Tasten mit deinen virtuellen Händen. Bei der Quest nutzt du Laserpointer. Beides funktioniert etwa gleich gut.
Grosse Unterschiede in der Spieleauswahl
Spiele installierst du via Oculus-Store direkt über die Brille oder über die App, respektive am PC. Für den Direktvergleich habe ich mir die populärsten VR-Games gezogen, die auf beiden Brillen verfügbar sind – und mich gleich ordentlich aufgeregt. «Superhot VR», «Beat Saber», «Moss» musste ich doppelt kaufen, einmal auf der Rift S und einmal auf der Quest – obwohl es die genau gleichen Spiele sind. Der Kauf im Oculus Store auf der Quest gilt nicht zwingend für die Rift S und umgekehrt. Nur Spiele, bei denen explizit Crossbuy angeschrieben ist, musst du nur einmal kaufen. Da die meisten wohl nicht beide Brillen besitzen, ist das nicht das grösste Problem, nerven tut es trotzdem.
Da die Rift S über den PC läuft, kannst du dort ausserdem auf Steam-Games etc. zugreifen. Auf der Quest ist das Angebot deutlich kleiner, da nicht alle Titel mit der Mobile-Version kompatibel sind. «Space Junkies», «Edge Of Nowhere», «Lone Echo» und natürlich die ganzen PC-Games mit VR-Optionen wie «No Man’s Sky» oder «Project Cars 2» bleiben dir vorenthalten. Immerhin gibt es mit «Vader Immortal» den ersten Teil einer vorerst Quest-exklusiven «Star Wars»-Serie. Sitznachbar Luca Fontanas Urteil dazu nach einem kurzen Test: «Fuck, gseht das geil us.» Mittels Sideloading kannst du dir zwar auch Spiele der Gear VR oder andere VR-Android-Titel installieren, viel verpasst du da allerdings nicht.
Fingerspiele mit den Controllern
Sowohl der Quest als auch der Rift S liegen zwei Touch Controller bei. Sie liegen gut in der Hand und erkennen sogar einzelne Finger. Wenn du den Daumen auf den Analog-Stick legst und wieder hebst, bewegt sich auch dein Daumen in VR. Legst du ihn auf einen der zwei Knöpfe, bewegt sich dein Daumen im Spiel nach links oder rechts. Ähnlich verhält es sich mit den restlichen Fingern. So kannst du in Spielen erstaunlich viele Finger- und Handbewegungen simulieren: wie mit den Fingern zeigen, die Faust ballen oder das Daumen-Hoch-Signal geben.
Auch das Tracking funktionierte bei beiden Headsets sehr präzise. Bei der Quest hatte ich ein- zweimal das Gefühl, dass eine Eingabe nicht registriert wurde, was daran liegen könnte, dass sie einen Sensoren weniger besitzt. Abgesehen davon, steuert es sich mit den Oculus Touch Controllern sehr angenehm und intuitiv.
Spielerlebnis: Bewegungsfreiheit vs. Optik
Für den Direktvergleich habe ich mich auf «Superhot VR», «Beat Saber» und «Moss» konzentriert. Ich habe die Spiele zum Testen jeweils gleichzeitig auf beiden Brillen gestartet und hin und her gewechselt, um die Unterschiede am besten zu erkennen. Ausserdem habe ich ein paar Kollegen für Zweitmeinungen hinzugezogen.
Als erstes fällt auf, dass das Interface bei der Rift S etwas schärfer wirkt. Das erstaunt ein wenig, denn die Quest hat mit 3200 x 1440 Pixel im Vergleich zu den 2560 x 1440 Pixel der Rift S die höhere Auflösung. Der Screendoor-Effekt ist bei beiden Brillen vorhanden. Die Pixeldichte ist also noch nicht so hoch, dass man das Display nicht mehr von Auge erkennen würde. Bei der Quest ist das Bild eine Spur körniger. Beide sehen aber im Vergleich zu früheren VR-Brillen definitiv deutlich besser aus.
Dennoch gefällt mir das Bild der Quest optisch besser. Die Farben und Kontraste sind etwas kräftiger. Das Display der Rift S wirkt eine Spur blasser. Das dürfte an der verwendeten Displaytechnik liegen.
«Superhot VR» sieht auf beiden System fast identisch aus. Der Low-Polygon-Look trägt natürlich dazu bei. Beim Spielerlebnis konnte ich keine Unterschiede ausmachen. Sowohl auf der Rift S als auch auf der Quest läuft das Spiel flüssig. Kollege Raphi Knecht empfand sogar die Quest-Version als flüssiger. Während du in den Missionen optisch kaum Unterschiede ausmachen kannst, ist es in den kurzen Zwischensequezen, wo du dich in einem kleinen Raum umgeben von Computern befindet, deutlicher sichtbar. Die herumhängenden Notizzettelchen und die Displays sind mit der Rift S wesentlich schärfer und leserlicher.
Ähnlich verhält es sich mit «Beat Saber». Performancemässig konnte ich keine Unterschiede ausmachen. Auch auf der Quest fühlte sich das hektische Musik-Rhythmus-Game flüssig an und ich hatte nie das Gefühl, Schläge zu verpassen. Aber sowohl die Würfel, die du im Takt zerschneiden musst, als auch das Menü sind mit der Rift S etwas knackiger und weniger körnig.
Am offensichtlichsten siehst du den Unterschied in «Moss». Die Level bestehen aus Dioramas durch die du eine kleine Maus navigierst. Dadurch, dass sich das Bild kaum bewegt und die Grafik sehr detailliert ist, fallen die Unterschiede deutlich auf. Bereits in der ersten Szene, in der du dein eigenes Spiegelbild anschauen kannst, merkst du, dass die Wasseroberfläche bei der Quest matt ist. Auf der Rift S sieht das Wasser glänzig und wesentlich realistischer aus. Auch der Rest der Welt ist mit der Quest viel weniger detailliert. «Moss» sieht aber immer noch gut aus auf der Quest. Nur nach dem Direktvergleich fällt es etwas schwer, zurückzukehren.
Beide Headsets verfügen über integrierte Lautsprecher im Kopfband. Die sind zwar winzig, produzieren aber einen erstaunlich guten 3D-Sound. Falls dir das nicht genügt, kannst du über den 3.5-mm-Anschluss am Headset deine eigenen Kopfhörer anschliessen.
Ein praktisches Feature der Quest ist zudem, dass du den Inhalt der Brille auf ein Chromecast-fähiges Gerät, wie deinen TV oder das Smartphone, streamen kannst. So können andere sehen, was du am spielen bist. Dazu musst du in der Oculus-App auf dem Smartphone die Cast-Option aktivieren und anschliessend in der Quest «Headset Casting» starten. Bei der Rift S hast du den PC-Monitor, der standardmässig das Gameplay spiegelt.
Mit diesem Workaround wird die Quest zum Alleskönner – theoretisch
Was, wenn du Games übers Wlan vom PC an deine Oculus Quest streamen könntest? Das geht mir dem Opensource-Programm ALVR. Du musst dazu die Software sowohl auf der Quest als auch dem PC installieren. Wie du Apps per Sideloading auf die Quest bekommst, sagt dir Google. Allzu kompliziert ist es nicht. Und der Aufwand lohnt sich. SteamVR benötigst du natürlich ebenfalls.
Wenn du alles richtig installiert hast, kannst du auf der Quest unter Unknown Sources die ALVR-Software starten, worauf wiederum SteamVR am PC gestartet wird. Danach kannst du irgendein Spiel starten und es wird direkt vom PC gestreamt. Dein PC benötigt übrigens kein Wlan, solange er im gleichen Netzwerk ist wie die Oculus. ALVR befindet sich noch in der Alpha-Phase. Wundere dich also nicht, wenns nicht immer auf Anhieb klappt. In meinen Tests hat es aber relativ zuverlässig funktioniert. Und ein erhöhtes Input-Lag ist mir auch nicht aufgefallen.
Fazit: Ein klarer Sieger
Von den zwei Headsets ist für mich die Oculus Quest der eindeutige Sieger. Obwohl du mit beiden Geräten Kompromisse eingehen musst, lässt sich das Freiheitsgefühl ohne Kabelzwang und PC-Pflicht nicht genug betonen. Dass ich die Quest überall hin mitnehmen und praktisch sofort losspielen kann, sorgt dafür, dass ich sie viel öfters benutze. Sich frei bewegen zu können, ohne ständig das Kabel im Hinterkopf – sprich- und wortwörtlich – zu haben, fühlt sich enorm befreiend an. Die Akkulaufzeit von zwei bis drei Stunden ist auch völlig ausreichend.
Zusammen mit den handlichen Controllern und der extrem intuitiven Einrichtung, die den Prozess zu einem wahren Vergnügen macht, sind die Rift S und die Quest zwei äusserst attraktive Angebote. Wenn du primär vorhast, am PC zu spielen und du dich nicht mit Software im Alpha-Stadium herumschlagen willst, dann greif zur Rift S. Wenn dir Bewegungsfreiheit und Flexibilität wichtiger sind und du auf gewisse Games verzichten kannst, dann ist die Quest das Richtige. Der leichte Qualitätsverlust ist zu verkraften, besonders, wenn du nie den Direktvergleich machst.
Ziehst du noch den Workaround in Betracht, um Games vom PC auf die Quest zu streamen, gibt es fast keinen Grund mehr, ein anderes Headset in Betracht zu ziehen. Klar, bei den PC-Headsets entfällt das Gebastel, bis der Stream läuft. Aber selbst ohne ALVR ist die Quest eindeutig das fortschrittlichere Gerät.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.