
ROG Phone 3: Von Microtransactions und wahrem Gaming

Was bringt dir ein Gaming Phone, wenn die Gaming-Industrie nur darauf aus ist, dir Geld aus der Tasche zu ziehen? Wenig. Dafür aber tun sich Abgründe auf, die ein trauriges Bild von Videospielen zeichnen.
Mit einer maximalen Bildwiederholrate von 160 Hertz, 16 GB RAM, 512 GB Speicher und einem übertakteten Snapdragon 865+ System-on-a-Chip macht das Asus ROG Phone 3 einiges her. Es macht sogar so viel her, dass es nur wenig gibt, das dem Phone mit 6.59 Zoll Bildschirmdiagonale das Wasser reichen kann. Denn das ROG Phone ist ein Gamer Phone. Mehr noch, es ist der de facto Standard der Gamer Phones. Dies, weil die Konkurrenz rar gesät ist und sich nur das Xiaomi Blackshark Konkurrenz nennen darf.
Trotzdem. Der Kauf lohnt sich nicht. Das hat aber nichts mit der Hardware des Phones zu tun. Die ist wunderbar. Es liegt daran, dass nicht ein einziges Game im Android Play Store auch nur ansatzweise okay ist. Womit sich dann die Frage stellt: Was lohnt sich ein Gamer Phone, wenn es nichts zu spielen gibt?
Darum: Review gecancelled. Reden wir mal über die absolute Tragödie, die da Mobile Gaming ist.
Eigentlich will ich ja nur Leute verprügeln
Ein Blick in die Geschichte. Meine Geschichte. Ich bin Mortal Kombat Fan, unter anderem. Ich erinnere mich gut zurück ans Jahr 1992. Ich sitze vor dem heimischen Röhrenfernseher und dieser Werbespot flimmert über den Bildschirm.
Wer auch immer das erste Mal den epischen Ruf «Mortal Kombat» bei 0:15 herausgelassen hat, der verdient eine Medaille. Ans Spiel selbst mag ich mich kaum erinnern, oder ob es MKI oder MKII war, das ich zuerst gespielt habe. Aber an den Film kann ich mich gut erinnern. Und wieder der Ruf: «Mortal Kombat!»
Mir ist 26 Jahre nach dem Kino-Kultfilm klar, dass ich auf dem ROG Phone 3 Mortal Kombat spiele. Denn die Idee mit Scorpion gegen irgendwelches Gesocks anzutreten und ihnen die Köpfe einzuschlagen klingt fantastisch. Noch besser, stelle ich mir vor, ist dann der Ansager in meinen Kopfhörern, der sagt «Fatality», wenn ich meinem Gegner den Kopf abgerissen und seine Wirbelsäule aus dem taumelnden Torso gerissen habe habe. Das ganze auch noch im Bus. Gar nicht mehr so langweilig, der öffentliche Verkehr. Auf sowas könnte ich mich sogar freuen.
Spoiler: Am Ende fahr ich trotzdem mit dem Motorrad zur Arbeit.
Mortal Kombat für Android ist so ein richtiges Scheissspiel. Im Video und den Screenshots sieht das extrem cool aus. Da ist Scorpion, der gelbe Ninja, der eigentlich schon lange tot aber so dermassen wütend auf die Welt ist, dass er nicht in Frieden ruhen kann. Der Donnergott Raiden schiesst Blitze, Jade hat ein neues Outfit. Blut fliesst. Knochen brechen. Zerbersten. Das Line-up der Charaktere sieht super aus. Sogar alternative Kostüme aus der Vergangenheit sind dabei. Als separate Kämpfer? Mit anderen Skills? Mein erster Gedanke: Mortal Kombat! Und der Soundtrack dröhnt in meinem Kopf.
Die Realität ist ernüchternd. Ich starte mit drei Clowns.

- Shirai Ryu: Ein grauer Ninja, von dem ich noch nie etwas gehört habe
- Osh-Tekk: Was soll der überhaupt darstellen?
- Mönch: Der kreative Bankrott in Form einer Videospielfigur
Ich spiele ein Spiel, in dem vierarmige Monster gegen Dönnergötter oder Ninjas antreten, die Eis schiessen. Und ich bekomme «Mönch»? Fuck you, Warner Bros. Interactive.
Nach der ersten Enttäuschung dann die zweite. Ich versuche, das Spiel zu spielen. Wenn ich mit Scorpion den «Get over here»-Move machen will, dann drücke ich in jedem normalen Videogame Zurück, dann Vorwärts und – wenn ich mich gerade recht erinnere – Schlag. Ist gar nicht so wichtig, was die Combo wirklich ist, sondern, dass da die Fähigkeit dazugehört, dass Scorpion sich hinstellt, seinen Satz sagt und seine Ketten verschiesst.
In Mortal Kombat auf Android ist «Mönch» damit beschäftigt, nicht wegen jedem kleinen bisschen Opposition zu verrecken. Das ginge ja noch, wenn da wenigstens Skill nötig wäre. Doch eigentlich tippe ich nur mit dem rechten Daumen irgendwo auf den Screen. Irgendwann findet das Spiel dann, dass ich nach unten oder oben swipen soll. Dann macht er etwas moderat interessantes.
Eigentlich verbringe ich nach zwei Stunden Spiel mit «Mönch» und seinen beschissenen Kollegen recht wenig Zeit damit, Leute zu verprügeln. Es geht in erster Linie darum, irgendwelche Dinge zu kaufen, die «Mönch» stärker werden lassen sollen. Gib 10 Gold und irgendwie 15 Seelen aus, dann bekommst du eine neue linke Socke für «Mönch», damit sein Tritt 2% stärker wird.
Das ist der Hauptfokus des Spiels. Ich muss entweder absurd lange kämpfen, damit ich mir all die Power Ups leisten kann, oder Geld ausgeben, damit das schneller geht und ich eventuell irgendwann dann mal mit Scorpion Raidens Kopf abreissen kann. Doch statt meine Combo Skills zu perfektionieren und zu lernen, wie ich Combo an Combo reihen kann, damit Raiden so richtig eins auf die Fresse kriegt, versuche ich herauszufinden, ob die rechte Socke für «Mönch» vernünftiger ist oder doch das Stirnband.
Mortal Kombat geht anders.
Okay, anderes Spiel.
A Rose By Any Other Name… eine Reise in den Einheitsbrei
Injustice 2 soll's richten. Wenigstens kann ich hier mit Superhelden spielen. Echt jetzt. Die Frechheit von «Mönch» leistet sich Warner Bros. hier nicht.
Aber eigentlich ist es dasselbe Spiel mit anderen Figuren. Ich verbringe kurze Zeit damit, mit Batman irgendwen zu verprügeln, dann beschäftige ich mich mit den Socken meiner Helden, damit ihre Tritte leicht stärker werden. Batman könnte «Mönch» fragen, ob er sich lieber neue Socken kaufen soll oder doch lieber ein Stirnband.

Aber gute Nachrichten. Power Gems sind in Aktion. 200 der violetten Kristalle, deren Zweck sich mir nicht ganz erschliesst, für nur einen Franken. Wer kann da schon widerstehen? Denn wenn ich die neuen Power-Socken kaufe, dann kann ich vielleicht bald schon den rechten Handschuh des Power-Schlags kaufen. Und dann vielleicht den neuen Brustpanzer, der meine Abwehr um 1,5% verstärkt.
So zieht sich das durch. Ich tippe etwas auf dem Screen herum, dann drücke ich mich durch gefühlt ein halbes Dutzend Screens, die mir irgendwas zur Belohnung geben oder mir irgendwas verkaufen wollen. Entweder kann ich mir das Zeug knapp leisten, weiss aber nicht so recht, wofür ich das brauche, oder ich kann Geld investieren. Ein Franken hier, zwei Franken da. Und damit ich nicht merke, wie viel Geld ich eigentlich ausgeben soll, haben die von Warner Bros. mehrere Währungen eingeführt, deren Wechselkurs so intransparent wie möglich gehalten ist.
200 Power Gems kosten einen Franken. Aber wie viel kostet eine SIM-Karte? Oder 1000 Münzen? Oder ein grünes Ding, von dem ich nicht mal genau weiss, was es darstellen soll? Denn brauchen tue ich sie alle. Batmans neue linke Socke kostet nämlich nicht einfach nur 3000 Münzen, sondern irgendetwas wie «3000 Münzen, 2 SIM-Karten, 1 grünes Ding und 5 Power-Kristalle». Kein Wunder kommt da keiner nach, mit wie viel Geld da tatsächlich reingesteckt wird. Und wenn du dich durch 35 Bildschirme drücken musst mit Rewards und all dem Schrott, nur weil du zum nächsten 20-Sekunden-Kampf kommen willst… Shut up and take my money.
Eigentlich will ich nur Leute verprügeln.
Ab in den Weltraum
Gut, dann verprügle ich keine Leute. ÖV fahren, ohne dass ich das 240 Gramm schwere ROG Phone irgendwem an den Kopf schmeissen darf, weil ich mir das Schulterpolster der Macht, Level 3, für «Mönch» nicht leisten kann, macht keinen Spass. Geb ich mein Geld lieber für Benzin aus, damit mein Töff weiterfährt. Scheint mir vernünftiger. Gesünder auch. Für alle anderen. Denn ich habe gerade ausprobiert, eine Mission zu spielen. Kurzes Intermezzo. Ich kann nicht einmal gegen den ersten Gegner bestehen. Entweder ich gebe viel Geld aus, damit ich jetzt sofort den Boss besiege, oder ich verbringe Stunden damit, mit «Mönch» und den anderen Kackbratzen in meiner Party irgendwelches Gesocks zu verhauen, damit ich mir den betonzerstörenden Nagellack kaufen kann.
Desillusioniert versuch ich mich an einem anderen Spiel eines anderen Franchises, das ich wirklich mag. Star Trek Fleet Command. Verzeihung. Das heisst natürlich «Star Trek™ Fleet Command», denn wenn du das «™» einmal vergisst, dann kann ja jeder kommen und das klauen. Mich nervt nur schon der Titel des Games. Wie kleinlich kann ein Lizenzgeber denn sein?
Aber als Captain der USS Constellation will ich trotzdem gegen Klingonen antreten. Ich will er Sternenflotte nicht nur als Krieger grosse Ehre bringen. Ich will Infrastruktur aufbauen, der Föderation auf ihrer Mission des Friedens helfen. Und ich will auch kreative Wege aus Miseren finden, in denen ich als normaler Sternenflottenkapitän gegen Götter und Gottgleiche antreten muss. Wie James T. Kirk damals gegen Trelaine. Oder Jean-Luc Picard gegen Q. Die besten Phaser und Photonentorpedos haben keine Chance gegen Wesen, die sich aus Jux dazu entscheiden, wie ein Mensch auszusehen, aber die Realität nach ihrem Belieben verändern können.
Für nur 17 Barren goldgepresstes Latinum, 45 Tritium und 100 sonstwas kann ich mir eine bessere Panzerung für mein Schiff kaufen. Oder Geld investieren. Für nur 4.50 Franken kann ich da schon viel reissen und eventuell sogar gewinnen. Denn die Constellation übersteht vielleicht vier Kämpfe gegen irgendwelche Raumpiraten.

So zieht sich das durch mein Leben mit dem ROG Phone 3. Kein Spiel ist sein Geld wert. Gut, sie kosten auch nichts. «Free to Play» ist ein Satz, der mir oft begegnet. Mag ja sein, dass ich gratis spielen darf, aber den zweiten Teil des Konzepts verschweigen mir die Game Developer. «Free to play, pay to win».
So nicht.
Die Reise in die Vergangenheit
Trotzdem habe ich extrem starke Hardware, die gut in der Hand liegt und dank dem mitgelieferten aufsetzbaren Ventilator zusätzlich noch extern gekühlt werden kann. Das funktioniert sogar, denn im ROG Phone 3 wird eine Monitoring App mitgeliefert, in der du beobachten kannst, wie gut das System gerade performt und unter welchen Umständen.
Ich opfere also eine Frühschicht auf, damit ich ein echtes Videospiel als Android App kompiliere. Als Emulator geht das schon länger, aber ich will wissen, ob das auch anders geht. Yup. Super Mario 64 spielt sich einigermassen gut. Manchmal schmiert es mir ab, oft in Whomp's Fortress, meinem Lieblingslevel, aber das ist weniger frustrierend als wenn ich mir Knieschoner für 200 Barren Latinum kaufen muss, damit ich vielleicht irgendwann mit Scorpion oder sonst einem coolen Charakter irgendwen verprügeln kann.
Mobile Gaming ist eine traurige Veranstaltung. Lockangebote überall, Pay to win und du lernst nichts. Du brauchst keine Skills, keine Gedanken. Einfach nur im Bus auf den Screen tippen, damit du noch mehr Geld investieren kannst, damit du noch mehr auf dem Screen tippen kannst.
Es ist schade, dass dem so ist. Denn das ROG Phone bietet dir starke Hardware, die von Game Developern verhunzt wird. Auch wenn du Gamer bist, es lohnt sich schlicht nicht, 1000 Franken in ein Gaming Phone zu investieren, wenn es keine Games gibt, die diese Hardware ausreizen und die es sich gleichzeitig zu spielen lohnt. Du wirst von einer Industrie mit Halbwahrheiten, Microtransactions und nahezu irreführender Werbung dazu verleitet, mehr Geld auszugeben für Dinge, die am Ende keinen Spass machen und nur zu mehr Ausgaben führen.
Asus kann da aber nichts dafür. Ich wünsche mir eine Industrie, die die Entwicklung eines solchen Phones rechtfertigt. Ich will, dass du dir guten Gewissens ein Gaming Phone kaufen kannst, wissend, dass du wirklich etwas für dein Geld bekommst. Und vor allem will ich, dass du Spass hast, sowohl mit deinem Phone und den Games, die du darauf spielst. So hast du keinen Spass. So hast du ein 1000-Franken-Phone für Games, die dich nur weiter bankrottieren.


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.