«Star Wars: The Acolyte»: So gut sind die ersten zwei Folgen
Serienkritik

«Star Wars: The Acolyte»: So gut sind die ersten zwei Folgen

Luca Fontana
4.6.2024

Es ist vielleicht meine am sehnlichsten erwartete «Star Wars»-Serie bislang – und mit ziemlicher Sicherheit die erfrischendste seit Langem: «The Acolyte». Ein Review zu den ersten beiden Folgen.

Eines vorweg: In dem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind. Ab kommenden Freitag besprechen «Star Wars»-Co-Aficionado Patrick Vogt, Spielzeug-Papst Ramon Schneider und ich im Wochentakt jede Folge einzeln im noch jungen digitec-Podcast Spoilerfabrik – Spoiler inklusive.

Die Ära der «Hohen Republik»? Bisher wurde sie nur in Büchern und Comics abgehandelt. Genau genommen sogar erst seit 2020, als Disney die Ära unter dem Projektnamen «Luminous» ins Leben rief. Für viele dürfte «The Acolyte» damit der erste Berührungspunkt mit der Hohen Republik sein. Und ein äusserst spannender noch dazu.

Das Besondere an der Hohen Republik ist nämlich, dass sie etwa 500 bis 100 Jahre vor «Star Wars: Episode 1» existierte, als sie Wohlstand und Ordnung sogar bis in die äussersten Randgebiete der Galaxis zu bringen vermochte. Die Jedi waren zwar kein Teil von ihr, aber wichtige Verbündete: Nachdem die Alte Republik vor 1000 Jahren nach dem grossen Sith-Krieg auseinander zu fallen drohte, waren es die Jedi, die die Bruchstücke der zertrümmerten Galaxis gerade so zusammenhielten. Zumindest, bis sich aus der Asche der Alten Republik endlich die Hohe Republik erhob und die Galaxis zu einem jahrhundertelang andauernden Frieden führte.

Aber dann trat eine Akolythin aus dem Schatten hervor …

Darum geht’s in «Star Wars: The Acolyte»

100 Jahre vor «Star Wars: Episode 1»: Der Jedi-Orden befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Nie wieder würden seine Mitglieder zahlreicher und mächtiger sein. Und selten erlebte die Galaxis eine friedlichere Zeit, in der es keine Konflikte gab, die die Jedi nicht in Schach halten konnten. Die Sith sind zu diesem Zeitpunkt reinster Mythos.

Wenn überhaupt.

Im Schatten der Überheblichkeit der Jedi erhebt sich aber eine Akolythin: Ein junges Mädchen, verführt von der Dunklen Seite der Macht. Von einem mysteriösen Meister auf die Reise geschickt, ermordet sie Jedi. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Niemand ausser den Jedi selbst sollte in der Lage sein, es mit ihnen aufzunehmen. Der Verdacht fällt darum schnell auf einen ehemaligen Padawan. Zusammen mit einem kleinen Trupp macht sich Jedi-Meister Sol («Squid Game»-Star Lee Jung-Jae) auf, sie wieder einzufangen, nicht ahnend, einem dunklen Geheimnis auf der Spur zu sein.

Jedi mit asiatischen Kampfkünsten

Ich will ehrlich sein: Mich nicht vom Hype der Serie erfassen zu lassen, fällt mir schwer. Die «High Republic»-Ära endlich auch ausserhalb von Büchern und Comics zu sehen, ist für mich als hartgesottener «Star Wars»-Fan ein Traum. Auch, weil Disney im vergangenen Jahrzehnt zwar viele «Star Wars»-Inhalte produziert hat, diese aber alle kurz vor oder nach den Kinofilmen spielen. Das lässt wenig Raum für komplett neue Schauplätze, frische Charaktere und unbekannte politische Landschaften.

Gerade die auffallend prächtigen Trachten der Jedi in «The Acolyte» symbolisieren ihre goldene Ära.
Gerade die auffallend prächtigen Trachten der Jedi in «The Acolyte» symbolisieren ihre goldene Ära.
Quelle: Lucasfilm / Disney

Die «High Republic»-Ära ist eine Ausnahme. Bisher fanden ihre Geschichten etwa 200 Jahre vor «Star Wars: Episode 1» statt – sprich: 100 Jahre vor «The Acolyte». Disney unterteilt sie in drei Phasen. Die erste beginnt mit dem Bau der «Starlight Beacon», eine Festung der Jedi im äusseren Rand der Galaxis, und endet mit dem dort stattfindenden grossen Endkampf gegen die Nihil, eine gefährliche Gruppierung von Weltraum-Wikingern. Phase zwei erzählt die Vorgeschichte besagter Nihil – Disneys eigene Version der Prequels, sozusagen. Phase drei hingegen knüpft direkt an die erste an und ist noch nicht komplett zu Ende erzählt.

«The Acolyte» markiert dabei das Ende der High-Republic-Ära selbst – und nicht nur. Die Serie soll nämlich auch zeigen, wie der mächtige Jedi-Orden paradoxerweise in seinem Goldenen Zeitalter und gleichzeitig am Rande des eigenen Untergangs stehen konnte. Das sehen wir einerseits an den prächtigen, gold-weissen Trachten der Jedi und der Selbstverständlichkeit, mit der sie sich durch die Galaxis bewegen. Andererseits auch an ihrer schier unaushaltbaren Hochnäsigkeit, die vor allem Jedi-Ritter Yord (Charlie Barnett) ausstrahlt, wenn der strikte Regelbefolger alles nach Jedi-Lehrbuch machen will.

Vor allem aber demonstriert gerade der atemberaubend cool inszenierte erste Kampf mit Jedi-Meisterin Indara («The Matrix»-Star Carrie Anne-Moss) die Überlegenheit der Jedi. Dabei versucht «The Acolyte» gar nicht erst, die im irren Tempo choreografierten Duelle aus George Lucas’ Prequels zu toppen. Stattdessen findet die Serie ein eigenes Stilmittel. Eines, das «ihre» Jedi unantastbar macht – sogar wortwörtlich:

Martial-Arts.

Jedi nutzen ihr Lichtschwert nämlich nicht zum Angriff, sondern zur Verteidigung. Genau das verkörpern Indara und die anderen Jedi-Meister. Weniger temporeich, dafür akrobatisch, ja schon fast ballettartig, nutzen sie die Macht, um an total offensichtlich wegretuschierten Kabeln durch Szenen zu fliegen, Wände entlangzulaufen und im Zweikampf einen poetischen Tanz mit ihrem Gegenüber ausführen. Ihr Lichtschwert setzen sie nur in absoluter Not ein. Das erinnert so stark an chinesische Martial-Arts-Filme wie «Crouching Tiger, Hidden Dragon», dass ich nicht anders kann, als begeistert in die Hände zu klatschen.

Eine Machtdemonstration.

Ein Mystery-Thriller im «Star Wars»-Setting

In erster Linie sieht sich «The Acolyte» als Mystery-Thriller. Und wie es sich da gehört, werden in den ersten beiden Folgen mehr Fragen gestellt als beantwortet. Etwa die Frage danach, wer der mysteriöse Meister der Akolythin ist, der sie in die Galaxis hinaus schickt, um Jedi zu töten. Warum ausgerechnet diese Jedi? Und wieso gerade jetzt? Dabei ist es Meisterin Vernestra (Rebecca Henderson), die spürt, dass die Akolythin bloss eine Schachfigur in einem weitaus grösseren, gefährlicheren Plan ist, das Gleichgewicht der Macht zu kippen.

Die Akolythin ist jene Schachfigur, die das Gleichgewicht der Macht gefährdet.
Die Akolythin ist jene Schachfigur, die das Gleichgewicht der Macht gefährdet.
Quelle: Lucasfilm / Disney

Vernestra ist für High-Republic-Veteranen wie mich übrigens eine alte Bekannte. Tatsächlich feierte sie ihr Debüt in «The High Republic – Light of the Jedi», dem ersten Buch aus der High-Republic-Ära. Darin ist sie noch eine 15-jährige Padawan. Kurz darauf wird sie zur jüngsten Jedi-Ritterin der Geschichte. In «The Acolyte» ist sie über 100 Jahre alt. Den jugendlichen Leichtsinn, mit dem ich sie kennengelernt habe, hat sie längst abgelegt. Stattdessen verkörpert sie eher die strikte, strenge Seite des nunmehr rigiden Ordens.

Im Gefühlsspektrum komplett gegenüber steht ihr Jedi-Meister Sol. Schauspieler Lee Jung-Jae, den die meisten aus «Squid Game» kennen, soll extra für diese Rolle Englisch gelernt haben. Das merkt man seiner teilweise hölzernen Aussprache an, falls du die Serie im Originalton schaust. Aber seine Mimik strahlt all die Wärme und Güte aus, die dem restlichen Orden zu fehlen scheint. Kein Wunder, packt Meister Sol die Dinge anders an. Ein bisschen so, wie’s Qui-Gon Jinn ein Jahrhundert später tun wird, als er den Auserwählten Anakin ausbilden will, obwohl es ihm der Jedi-Rat strikt verbietet.

So serviert uns «The Acolyte» gleich zu Beginn eine illustre Runde verschiedenster Charaktere. Sehr gut.

Wunderschön inszenierte «Star Wars»-Welten

Ebenfalls ein Bruch zu den meisten anderen «Star Wars»-Produktionen: das Budget. Rund 180 Millionen US-Dollar sollen die acht Folgen zusammen gekostet haben. Das macht «The Acolyte» zur zweitteuersten «Star Wars»-Serie überhaupt. Bisher hat nur «Andor» mehr gekostet: 250 Millionen Dollar. Die anderen bewegen sich um oder unterhalb der 100-Millionen-Marke.

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Zu sehen ist das in jedem Shot: «The Acolyte» sieht fantastisch aus. Nicht nur wegen der makellosen Special Effects aus dem Computer. Es sind vor allem die aufwendigen Sets, die vor Details und Ideenreichtum nur so strotzen, gefolgt von den massig vorhandenen Kreaturen, die keltisch anmutende Dörfchen auf Klippen, asiatisch angehauchte Spelunken oder umtriebige Städtchen bevölkern. Ganz klar: «The Acolyte» soll ein grosses «Star Wars»-Vehikel im Disney-Universum werden, gerade im Vergleich zu eher billigen Produktionen wie «Obi-Wan Kenobi» und «The Book of Boba Fett».

Das kommt nicht von ungefähr: Sowohl «The Acolyte» als auch «Andor» wurden in Grossbritannien gedreht. Dort sorgen üppige Steuervergünstigungen für höhere Budgets. «The Mandalorian» und Co. sind hingegen kalifornische Produktionen. Um dort zu sparen, verlässt man sich aufs sogenannte «Volume». Also auf ein Set mit hochauflösenden LED-Bildschirmen, die eine Welt erzeugen, die direkt von der Kamera eingefangen werden kann. Das sieht deutlich realistischer aus als nachträglich am Computer eingefügte Effekte und ist obendrein noch kostensparender. Aber auch einengend. Vor allem Action-Szenen nehmen niemals dieselben epischen Ausmasse an wie ein Dreh an echten Locations oder auf riesengrossen Sets.

«The Acolyte» hingegen sieht man an, dass vor Ort oder auf akribisch designten Sets gedreht wurde. Dadurch wirkt die Serie grösser. Echter. Geerdet und real. Und eben kinohafter als viele «Star Wars»-Serien zuvor – «The Mandalorian» mit eingeschlossen. Nur «Andor» hat noch schöner und epischer ausgehen. Zumindest bis jetzt.

Überhaupt: In seiner Schreibe und Reife bleibt «Andor» unerreicht. Dass die noch relativ unbekannte Regisseurin und Showrunnerin Leslye Headland es mit dem «Edgar Allan Poe Award»-Preisträger Tony Gilroy aufnehmen könnte, hätte ich allerdings auch nicht erwartet. So sehr ich den Start von «The Acolyte» mag: Dass die Serie à la «Andor» auch ausserhalb von «Star Wars»-Kreisen hohe Wellen schlagen wird, bezweifle ich stark. Dafür ist «The Acolyte» zu stark aufs eher jugendliche Disney-Publikum zugeschnitten.

Fazit

Ein vielversprechender Start

Es wäre nicht das erste Mal, dass ich zum Serienstart ein positives Review abgebe, das ich im Nachgang am liebsten wieder löschen würde. Siehe Marvels «Secret Invasion». Sei dir darum bewusst, dass sich mein erstes Urteil nur auf die ersten zwei Folgen bezieht, die ich vorab sehen durfte.

Wenn sich «The Acolyte» aber genauso prächtig weiterentwickelt wie die Serie begonnen hat, dürfen sich «Star Wars»-Fans auf ein richtiges Schmankerl im unverbrauchten Setting freuen. Vor allem, was die Jedi betrifft, die in ihrem Martial-Arts-Kampfstil eine buchstäbliche Machtdemonstration geben. Schreiberisch bleibt die Serie aber auf dem Niveau von «The Mandalorian», «Ahsoka» und Konsorten: Wer auf eine überraschend erwachsene Adaption im Stile eines «Andor» hofft, wird enttäuscht.

«The Acolyte» läuft ab dem 5. Juni auf Disney+ und startet mit einer Zwei-Folgen-Premiere. Danach folgt eine Folge pro Woche.

Pro

  • Die Hohe Republik: eine unverbrauchte Ära, die Lust auf mehr macht.
  • Das hohe Produktionsbudget sieht man in jedem Shot.
  • Starke Choreografien, die sich von den Prequels abheben.
  • Spannende Story mit einem breiten Spektrum an neuen Charakteren.

Contra

  • Schreiberisch nicht auf demselben Niveau wie «Andor»
Titelbild: «Star Wars: The Acolyte» / Lucasfilm

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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