Focus Home Interactive Warhammer 40,000: Space Marine 2
PS5, DE
«Space Marine 2» setzt auf brachiale Action ohne Klettereinlagen, Dialogoptionen oder sonstigen Firlefanz. Die Panzer auf zwei Beinen lassen ohnehin lieber ihre Kettensägenschwerter sprechen.
Ich bin kein «Warhammer 40K»-Experte. Wenn ich das komplexe Franchise, das einem Tabletop-Spiel entsprungen ist, beschreiben müsste, kommen mir zwei Dinge in den Sinn: dystopische Sci-Fi-Zukunft und Space Marines. Die gezüchteten Supersoldaten stellen eine Art futuristische Tempelritter dar, die jegliche Bedrohung gegen das Imperium unter ihren mächtigen Panzerstiefeln zerstampfen.
Die Bedrohung in «Warhammer 40K Space Marine 2» besteht aus den Heuschrecken-ähnlichen Tyraniden und den Mächten des Chaos. Das sind Ketzer und abtrünnige Imperialisten, die sich vom allmächtigen Imperator abgewandt haben. Die Orcs aus dem ersten Teil von 2011 müssen leider Zuhause bleiben. Schade, aber vielleicht auch gut. Auch so werde ich mit so vielen Fantasiebegriffen bombardiert, dass ich schnell den Durchblick verliere. Die Story ist aber auch eher nebensächlich. Das einzige, das ich wissen muss, ist, dass ich wie vor 13 Jahren in die Rolle von Demetrian Titus schlüpfe und alles vernichte, was sich mir in den Weg stellt. Ganz wie im echten Leben.
Am Ende des ersten Teils wird Titus von der Inquisition fälschlicherweise wegen Ketzerei verurteilt. Nachdem der Richter selber als Ketzer gebrandmarkt und umgebracht wird, kehrt Titus – nach einem Zwischenstopp als Blackshield bei der Deathwatch (frag mich bitte nicht, was das bedeutet) – zu den Ultramarines zurück. Die Ultramarines sind ein Orden der Space Marines.
Titus bekommt mit Gadriel und Chairon zwei Krieger unterstellt. Zu dritt begeben sich die wandelnden Fleischberge auf ein epochales Abenteuer, um die Tyranid-Horden zurückzuschlagen. Die Kampagne lässt sich alleine oder mit bis zu zwei weiteren Personen spielen. Damit werden die Missionen nicht nur einfacher, sondern machen auch mehr Spass. Die Bots sind nämlich nicht die hellsten und stehen oft einfach blöd in der Gegend herum. Immerhin zeigen sie beim Wiederbeleben keine falsche Scheu und sind sofort zur Stelle. Zum Glück, denn trotz Titus kolossaler Statur und stählerner Rüstung überwältigen mich die Monsterhorden oft, wenn ich nicht aufpasse.
Gespielt wird aus der Third-Person-Perspektive. Titus besitzt eine Nahkampf- und eine Fernkampfwaffe. Bei der Menge an Gegnern ist die Munition meist schon nach der zweiten Gegnerwelle aufgebraucht. Darum mache ich regen Gebrauch von meinem Kettensägenschwert. Damit kann ich einfach Comboangriffe ausführen und so blutige Schneisen durch die Horden grotesker Kreaturen ziehen. Wenn Gegner genug geschwächt sind, leuchten sie rot auf und ich kann zum brutalen Finisher ansetzen. Die stehen den Fatalities aus «Mortal Kombat» in nichts nach. Dadurch lerne ich nicht nur die Anatomie meiner Gegner kennen, ich regeneriere auch meinen Schild. Meine Lebensenergie füllt sich ebenfalls schneller auf, wenn ich auf Nahkampf setze. Ganz nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Dazu gibt es Granaten sowie einen Superangriff, der sich langsam auflädt und nur sporadisch eingesetzt werden kann. Einen Skilltree oder freischaltbare Waffen gibt es in der Kampagne keine. Stattdessen werden im Spielverlauf nach und nach neue Todeswerkzeuge eingeführt, die ich während der Missionen regelmässig auswechseln kann. Bei den Fernkampfwaffen fehlt mir anfangs etwas die Variation. Die verschiedenen Pistolen und Gewehre spielen sich sehr ähnlich. Erst gegen Ende kommen grosskalibrige Waffen hinzu, etwa Lasergewehre, Flammenwerfer oder Plasmakanonen. Schmackes haben aber auch schon die Knarren im ersten Level. Treffer sorgen für Blutfontänen wie in einem Peter-Jackson-Horrorfilm.
Etwas enttäuscht bin ich von den Nahkampfwaffen. Damit kann ich zwar effizient Monster niedermetzeln. Die Soundeffekte gehen aber völlig im allgemeinen Chaos unter. Wenn ich eines der vielen ekligen Aliens mit meinem Powerschwert durchtrenne, klingt das so, als würde ich mir Butter auf mein Brot schmieren. Erst als Titus einen riesigen Kriegshammer spendiert bekommt, kracht es auch beim Nahkampf. Davon habe ich mich dann auch bis zum Schluss nicht mehr getrennt.
Am meisten Spass kommt auf, wenn ich mir mein Jetpack umschnallen kann. Da stimmt mir auch Chairon zu: «Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal den Tod von oben gebracht habe». Ein so tiefer Einblick in die Persönlichkeit des stoischen Kriegers entspricht praktisch einem Freudentanz. Leider kommen die Jetpacks nur in bestimmten Leveln vor. Sie machen sowohl die Fortbewegung als auch den Kampf deutlich dynamischer. Mit dem Jetpack kann ich riesige Distanzen überwinden und aus schwindelerregender Höhe mit einer Explosion auf meine Feinde stürzen. Das war schon im ersten Teil mein Highlight und macht auch hier wieder verdammt viel Laune.
Die Action ist ganz klar das Herzstück des Spiels. Die Level sind linear und führen mich von Schlachtfeld zu Schlachtfeld. Ab und zu einen Hebel zu betätigen, ist das höchste der Gefühle. Dennoch vermittelt mir «Warhammer 40K Space Marine 2», auch ohne der komplizierten Hintergrundgeschichte folgen zu können, einen guten Eindruck über die Welt. Die ist dann auch sensationell in Szene gesetzt. Gigantische Monsterhorden strömen über riesige Schlachtfelder und stürzen sich auf Kriegsmaschinen mit Kanonen gross wie Schornsteine. Am Himmel kreisen Schwärme zähnefletschender Alienvögel. Ich und meine Squad sind mittendrin. Die vom ewigen Krieg geprägte Welt ist durch und durch spürbar. Nicht zuletzt, weil das Imperium jede Wand und jedes Tor mit grimmigen Totenschädeln dekoriert.
Während das Gameplay nicht sonderlich variantenreich ausfällt, beeindruckt «Space Marine 2» beim Leveldesign. Angefangen beim saftig grünen Dschungelplaneten Kadaku, über gigantische Hallen, in denen die Decke im Dunst verschwindet bis zu düsteren Kellergewölben, die mit Leichenbergen übersät sind, wird viel Abwechslung geboten. Dazu kommt eine grosse Portion Techno-Gothik. Fast jedes Mitglied des Imperiums besteht aus 50 Prozent Maschinenteilen. Alles steht im Zeichen des Krieges. Für den Imperator. Gegen die Ketzer. Dieses Mantra wird im Verlauf des Spiels so oft wiederholt, würde ich daraus ein Trinkspiel machen, ich wäre bereits nach dem ersten Level auf der Intensivstation gelandet. Weil es nur ein Spiel ist, fühle ich mich stattdessen wie im siebten Himmel.
Neben der Kampagne gibt es die Spielmodi «Operations» und «Eternal War». Bei letzterem handelt es sich um einen PvP-Modus, in dem sich zwei Teams aus je sechs Space Marines gegenüberstehen. Während der Testphase habe ich leider nie einen vollen Server gefunden und konnte es daher auch nicht ausprobieren.
In «Operations» spielst du sechs Nebenmissionen, die parallel zur Kampagne existieren. So erlebst du Missionen aus einer anderen Perspektive. Wie die Hauptstory kannst du auch diese zu dritt spielen. Du hast sogar die Wahl zwischen verschiedenen Klassen. Und du sammelst Erfahrungspunkte, um damit Perks freizuschalten und so deine lebendig gewordene Kriegsmaschine zu individualisieren. Auch kosmetische Gegenstände stehen für die Multiplayer-Modi bereit.
«Warhammer 40K: Space Marine 2» wurde von Saber Interactive zum Testen zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version gespielt. Das Game ist ausserdem auf PS5 und Xbox Series X/S verfügbar.
«Warhammer 40K: Space Marine 2» besitzt die Tugenden von 2000er-Jahre Ballergames, wirkt dabei aber nicht altbacken. Die wortkargen Ultramarines stampfen unerschütterlich jeder Bedrohung entgegen. Wie ein laufender Fleischwolf kämpfe ich mich durch alles, was die Tyraniden und die Chaos-Mächte mir entgegenwerfen. Das Gameplay ist simpel und wirft mich zurück in eine Zeit, als Shooter noch einfacher gestrickt waren.
«Space Marine» ist die perfekte Power-Fantasy. Ich tauche komplett in diese martialische Welt und in die Rolle des unverwüstlichen Titus ein. Sie ist gespickt mit bedeutungsschwangeren Reden des Kirchen-ähnlichen Reiches und ihrem Totenkopf-Fetisch. Sie liefern einen faszinierenden Schauplatz für eines der besten Actionspiele der letzten Jahre. Dass die komplette Kampagne im Dreier-Koop gespielt werden kann und es zusätzliche Multiplayer-Missionen gibt, setzt dem ganzen die Krone auf.
Pro
Contra
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.