CPU-Jahresrückblick 2024: ein schwieriges Jahr
Qualcomm bietet Intel und AMD mit dem Snapdragon X erstmals ernsthafte Konkurrenz bei Notebooks. Intel geht beinahe den Bach ab und AMD veröffentlicht neben unfertigen Produkten wohl die Gaming-CPU des Jahrzehnts. 2024 war ein interessantes, aber schwieriges CPU-Jahr.
Konkurrenz belebt das Geschäft – sagt man jedenfalls. Da müsste es doch gut sein, wenn mit Qualcomm ein weiterer CPU-Player an den Markt tritt. Trotz erstmals konkurrenzfähiger Rechenleistung, konnte sich der Neue aber noch nicht signifikant etablieren. Dabei wäre 2024 ein gutes Jahr dafür gewesen, schwächelt doch der ehemalige Gigant Intel. Ein Blick zurück auf das vergangene CPU-Jahr.
Der mobile Bereich mit dem Neuen
Microsoft versucht es seit Jahren mit Windows on Arm. Die ersten Geräte stammen aus einer Zeit, als Apple noch auf Intel-Recheneinheiten setzte. Die Performance war aber derart mies, dass sie keine Chance gegen die Notebooks mit Intel- oder AMD-Prozessoren hatten. Mit dem M1 hat Apple anno 2020 gezeigt, dass die Arm-Architektur deutlich mehr kann: hervorragende Leistung und super Effizienz.
Qualcomm mischt mit Snapdragon X bei den Notebooks auf
Mit den Snapdragon X SoCs hat Chipdesigner Qualcomm dieses Jahr eine Plattform geschaffen, die eine ernsthafte Konkurrenz für AMD und Intel ist. Mit der Leistung von Apple können die Chips zwar nicht mithalten, aber in Sachen Effizienz sind sie top. Bei der Grafikleistung hinken die Chips allerdings noch deutlich hinterher – fürs Zocken sind sie definitiv nicht geeignet.
Bis Ende 2024 hat Qualcomm eine Vereinbarung mit Microsoft, exklusiv Arm-CPUs für Windows zu entwickeln. Bald dürfte das Unternehmen also Konkurrenz bekommen. AMD und Nvidia haben bereits angekündigt, ebenfalls Arm-SoCs entwickeln zu wollen.
Trotz der guten Leistung von Snapdragon X hat Qualcomm einen schweren Stand. Im dritten Quartal 2024 betrug der Marktanteil von Snapdragon-X-Geräten gerade mal 0,8 Prozent. Die Architektur setzt sich bei Windows-Notebooks demnach bisher nicht durch.
Ich denke, dass der Anteil an Arm-Notebooks wächst, sobald mehr Konkurrenz da ist. AMD und Nvidia mögen zwar neu bei Windows on Arm sein, aber beide haben mit der Architektur Erfahrung und bauen auch sonst gute Chips. Deshalb geniessen sie das Vertrauen der Notebook-Hersteller und der Kundschaft. Diese neue Konkurrenz dürfte das Geschäft weiter befeuern.
Massive Effizienzsteigerung bei x86
Aber auch die x86-Architektur hat in Sachen Effizienz dieses Jahr einen grossen Sprung gemacht. Das haben AMD mit den Ryzen AI 300 und Intel mit Lunar Lake gezeigt. Besonders hervor stechen die Produkte von AMD, die neben längeren Akkulaufzeiten auch performancemässig einen Schritt nach vorne machen. Intels Lunar Lake tritt von der Leistung her eher an Ort und Stelle, ist aber immerhin deutlich effizienter als der Vorgänger. Etwas, das auch für die Desktop-CPUs von Intel gilt.
Das kränkelnde Intel
Intel hat – Entschuldigung für den Ausdruck – ein beschissenes Jahr hinter sich. Im dritten Quartal schrieb das Unternehmen einen Verlust von 16,6 Milliarden US-Dollar. Zuletzt ist CEO Pat Gelsinger zurückgetreten – wohl auf Druck des Vorstands. Es ist ihm nicht gelungen, seinen vierjährigen Turnaround-Plan umzusetzen. Wobei die vier Jahre noch nicht einmal um waren. Dabei hat Gelsinger bei seinem Antritt als CEO 2021 bereits einen Scherbenhaufen geerbt.
Intels grösste Baustellen
Die Probleme von Intel reichen viel weiter zurück und sind vielschichtig. Einerseits hat es das Unternehmen nicht geschafft, kompetitive Chips für Smartphones herzustellen. Dabei hat der Chip-Gigant das Potenzial der Geräte schon vor dem ersten iPhone erkannt. Aber Produkte wie der Intel Atom konnten sich nicht gegen die Arm-Übermacht durchsetzen. Und das Unternehmen fokussierte sich weiterhin stur auf die x86-Architektur.
Was heute wohl noch schwerer wiegt, ist, dass Intel auch bei der zweiten grossen Entwicklung der letzten 20 Jahre unbedeutend ist: dem KI-Boom. Das Unternehmen hat schlicht keine konkurrenzfähigen Produkte. Versuche gab es: 2016 übernahm Intel das KI Startup Nervana und 2019 den Chiphersteller Habana Labs. Aktuell ist Gaudi 3 Intels KI-Beschleuniger-Falggschiff. Von diesem wollte das Unternehmen Einheiten für 500 Millionen US-Dollar verkaufen. Bereits jetzt ist klar, dass das Ziel verfehlt wird. Zum Vergleich: AMD will mit KI GPUs für Datenzentren drei Milliarden US-Dollar umsetzen. Nvidia gibt keine Zahlen bekannt, man rechnet aber mit 80 bis 90 Milliarden US-Dollar.
Damit nicht genug, kämpft Intel seit Jahren mit der Fertigung. Vor allem der Übergang vom 14-nm- zum 10-nm-Technologieknoten verzögerte sich um Jahre. Auch die kommende Fertigungsgeneration Intel 18A ist noch nicht ausgereift. Intel hinkt der Konkurrenz von TSMC hinterher. Mehr noch: Das Unternehmen ist mittlerweile vom taiwanesischen Hersteller abhängig, denn die neueste Desktop-Generation Core Ultra 200S wird von TSMC gefertigt.
Neue Desktop-CPU-Generation überzeugt nicht, alte ist fehlerhaft
Als ob die Fertigung bei der Konkurrenz nicht bereits genug Blösse für das stolze Intel wäre, sind die Core Ultra 200S Chips auch noch unausgereift. Beim Gaming liegt die Leistung hinter der Vorgängergeneration zurück und bei anderen Anwendungen sind die Resultate gemischt. Immerhin machen die Chips bei der Energieeffizienz einen Sprung nach vorne. Intel meint die Gründe für das schlechte Abschneiden gefunden zu haben und stellt in der Folge diverse Fixes bereit – signifikant besser sind die Chips aber auch so nicht. Damit nicht genug, sind sie erst zwei Monate nach dem Release auf dem Stand, den sie ursprünglich hätten haben sollen.
Dabei hätte Intel dringend positive Nachrichten benötigt. Den Stein für das miese Jahr ins Rollen gebracht haben Berichte im Juli wonach reihenweise CPUs der 13.- und 14.-Core-i-Generation den Geist aufgeben würden. Der Grund: Ein Microcode-Problem, das zu überhöhten Spannungen führt. Intel hat vermeintlich einen Fix veröffentlicht. Vermeintlich, weil das Problem erst mit der Zeit auftaucht und es deshalb noch etwas braucht, um es definitiv als gelöst zu bezeichnen.
Der Schaden ist aber bereits angerichtet. Nicht nur wegen des Fehlers, sondern vor allem wegen der Kommunikation und dem Umgang mit der Kundschaft: Erst wollte Intel nicht für Schäden haften. Erst nachdem sich Betroffene gewehrt haben, hat der Hersteller eingelenkt. Das Vertrauen ist somit hinüber.
Das zeigt sich bei den Verkaufszahlen. So verkauften sich die 13. und 14.-Core-i-Generation kurz vor dem Release der Core Ultra 200S kaum mehr. Die neueste Generation konnte daran nichts ändern. Auch bei uns entfällt aktuell der Grossteil der Desktop-CPU-Verkäufe auf AMD. Dabei war auch letzterer dieses Jahr nicht ohne Makel.
Unausgereifte Produkte bei AMD
Eigentlich hätte AMDs Ryzen 9000 bereits Ende Juli erscheinen sollen. Kurz davor zog das Unternehmen jedoch die Reissleine und verschob den Launch um zwei Wochen. Der Grund: nicht näher spezifizierte Qualitätsprobleme. Vielleicht hätte AMD gut daran getan, den Launch noch weiter zu verschieben, denn sowohl die «kleinen» als auch «grossen» Modelle überzeugten in den ersten Tests nicht.
Diverse Kinderkrankheiten, wie fehlerhafte Betriebssystemeinstellungen und Latenzprobleme, hinderten die CPUs daran, ihr volles Potenzial zu entfalten. Erst nach mehreren Fixes – über einen Monat nach Release – sind die Probleme behoben und die Prozessoren schöpfen endlich ihr Potenzial aus.
Mit einem Knall hat AMD dann das CPU-Jahr 2024 beendet. Die Ryzen 7 9800X3D stieg nicht nur zur neuen besten Gaming-CPU auf, sondern behob auch die Probleme der Vorgängerinnen. Die waren nämlich in Anwendungen stets langsamer als ihre Nicht-X3D-Gegenstücke. Damit ist nun Schluss. Der Grund: Der 3D-V-Cache befindet sich neu unterhalb der eigentlichen Recheneinheit, was zu tieferen Temperaturen und dadurch höheren Taktfrequenzen führt. Die X3D-Prozessoren können so endlich ihr volles Potenzial entfalten. Deshalb ist der 9800X3D in meinen Augen der bislang beste Gaming-Chip des Jahrzehnts.
Das nehme ich aus 2024 mit
2024 war ein spannendes Jahr in Sachen CPUs. Dank Qualcomm und dem Snapdragon X tut sich endlich etwas bezüglich Effizienz bei Nicht-Apple-Produkten. Dass die x86-Architektur diesbezüglich nicht ganz von Arm abgehängt wird, hat AMD mit den Ryzen AI 300 bewiesen. Wenn 2025 weitere Player mit Arm SoCs für Notebooks auf den Plan treten, dürfte es besonders spannend werden.
Was das Jahr aber auch gezeigt hat: Die Hersteller werfen ihre Produkte immer häufiger überhastet auf den Markt. Die neuesten Desktop-Generationen von AMD sowie Intel waren schlicht noch nicht reif – dass sich die Kundschaft da als Beta-Tester wähnt, ist nicht erstaunlich. Immerhin sind Fixes erschienen oder tun es noch. Dennoch: Mir wäre es lieber, wenn sich die Hersteller mehr Zeit liessen.
Offensichtlich ist auch, dass die Leistungssprünge bei Prozessoren künftig tendenziell kleiner werden. Physikalisch geraten die Fertigungstechniken immer mehr an ihre Grenzen – die Intel Foundry, und die daraus entstandenen Probleme für das Unternehmen sind das beste Beispiel. Die Hersteller müssen deshalb immer mehr auch in die Software respektive in die Implementation ins Betriebssystem investieren. AMD hat dieses Jahr angekündigt, sich mehr in Richtung Software zu entwickeln. Etwas, das etwa Nvidia bereits seit Jahren tut.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.