Produkttest

Das beinahe perfekte Midrange-Headset: Turtle Beach Elite Atlas

Martin Jud
23.10.2018

Ich mag Turteltauben und Sex on the Beach. Mal sehen, ob es mir auch ein Turtle Beach antun kann. Wie ich gehört habe, soll das kabelgebundene Over-Ear-Headset neue Massstäbe in Sachen eSport-Audio setzen.

Endlich höre ich glasklar. Der Knauserpreis des Turtle-Beach-Headsets scheint sich bezahlt zu machen. Oder er würde, wenn ich es gekauft hätte. Im Moment teste ich es ja nur.

Eineinhalb Wochen zurück: Wow, das scheppert! Soll das die versprochene Qualität zum Schnäppchenpreis sein? Was habe ich mir da bloss aufschwatzen lassen?

Moment. Ich höre gerade eine uralte MP3, die nur mit 96 kbit/s konvertiert worden ist. Eigentlich dachte ich, dass ich bereits die gesamte Sammlung meiner CDs in FLAC (oder zumindest MP3 mit 320 kbit/s) gewandelt hätte. Einige Songs sind mir wohl durch die Lappen. Da ich die CD zuhause habe, aber jetzt dieses eine Lied hören muss, entschliesse ich mich, das gewünsche Album… auf anderem Weg herunterzuladen.

Versuch Nummer Zwei: Nun in bester Qualität und mit bestem Sound. Auch wenn Youtube keinen Lossless Sound liefert, lohnt es sich, dir diese Perle von 1999 vorzuführen. Dreh ruhig etwas auf. Solltest du den Song nicht mögen, darfst du dich in der Kommentarspalte darüber beschweren.

Insbesondere die satten Bässe überzeugen beim ersten Probehören. Oder könnte es auch sein, dass mir der Sound so gut gefällt, weil heute Freitag ist und in meinem Kopf haufenweise unsinniger Mist abläuft? Kommt das gut, wenn ich auf Schlafmangel teste? Aber hallo, auf jeden Fall!

Zur Sicherheit beschliesse ich, mindestens eine Woche mit dem Turtle Beach zu verbringen. Den Klang will ich noch besser testen. Abgesehen davon möchte ich wissen, wie sich das Headset beim Gamen mit Surround Sound schlägt.

Technische Daten – das verspricht der Hersteller

  • Geeignet für PC-Gaming (3.5-mm-Klinkenanschluss und Verteilerkabel), Xbox One, PlayStation 4, Nintendo Switch und jedes andere Gerät mit 3.5 mm-Klinke
  • Frequenzbereich von 12 Hz bis 20 KHz
  • 50 mm Lautsprecher (Nanoclear mit Neodymium-Magneten)
  • Gaming-Richtmikrofon
  • Kopfbügelpolster aus Leder und Memory Foam
  • Over-Ear-Ohrpolster aus Leder und Memory Foam (dank Magneten austauschbar)
  • Muschel-Abdeckungen magnetisch und austauschbar
Lautstärkeregler und Mute-Funktion
Lautstärkeregler und Mute-Funktion

Das Kabel des Gaming Headsets ist mit 100 cm relativ kurz und wird mit Lautstärkeregler sowie Schieberegler zur Deaktivierung des Mikrofons geliefert.

Der Lieferumfang (exklusive Bedienungsanleitung und Aufkleber).
Der Lieferumfang (exklusive Bedienungsanleitung und Aufkleber).

Zusätzlich liegt ein 200 cm langes Verteilerkabel bei, das du fürs Spielen am PC auch zwingend benötigst. Was besonders gut gefällt ist, dass sowohl das Mikrofon wie auch die Polsterungen abnehmbar/austauschbar sind. Falls du magst und alternative Muschel-Abdeckungen besitzt, kannst du auch diese austauschen. Ob es irgendwann Abdeckungen mit Hello-Kitty-Aufdruck geben wird, bin ich gerade noch am abklären.

Verarbeitung, Look and Feel

Dank den dicken Polstern sowie den verbauten 50 mm Lautsprechern wirkt das Headset riesig. Doch liegt es mit 371 Gramm Gewicht nicht über dem, was Konkurrenzprodukte wiegen.

Die Over-Ear-Ohrpolster haften magnetisch und können somit problemlos ausgetauscht werden.
Die Over-Ear-Ohrpolster haften magnetisch und können somit problemlos ausgetauscht werden.

Trägst du das Headset, schmiegt es sich angenehm an deinen Kopf. Ausserdem hält es bombenfest – selbst auf dem Kopf von Redaktionskollege Kevin, bei welchem jedes Headset rumwackelt. Du kannst mit diesem Headset sogar headbangen. Die Polster und der Tragekomfort erinnern mich an den Wireless-Surround-Kopfhörer Sony MDR-HW700DS, dessen Polster auch 2.5 cm dick sind. Als Brillenträger merke ich auch nach Stunden keine unangenehmen Druckstellen.

Unter den Drehgelenken kann der Bügel beidseitig dreistufig eingestellt werden.
Unter den Drehgelenken kann der Bügel beidseitig dreistufig eingestellt werden.

Dass beide Over-Ear-Muscheln drehbar sind, kommt nicht symmetrischen Köpfen entgegen und sorgt für eine passgenaue Form. Der Bügel an sich kann in drei Stufen eingestellt werden. Von der Verarbeitung und dem ergonomischen Gedanken her mangelt es hier an nichts. Am Äusseren mag ich, dass keine RGB-LEDs verbaut sind. Sowas braucht mein Kopfhörer nicht, denn persönlich hätte ich sowieso nichts von der Show.

Der Klang: Wumms ist nicht alles

Wie klingen sie denn? Naja, also erstmal muss gesagt werden, dass diese Dinger nicht für den Zug geeignet sind, auch wenn das Mikrofon abnehmbar ist. Denn wenn du mal aufdrehst, wird dies auch deine Umwelt mitbekommen. Also tu es bitte nicht, denn es gibt Menschen wie mich, die dich dafür würgen.

16 800 Hz und es geht nicht weiter

Kinder nehmen einen Frequenzbereich von ungefähr 20 bis 20 000 Hz wahr. Auch manche Erwachsene tun das, bis das Gehör mit dem Altern nachlässt. Um mir ein Bild des vom Hersteller versprochenen Frequenzbereichs zu machen, höre ich mir sämtliche Frequenzen bis 20 000 Hz durch. Natürlich kommt es dabei auch auf mein Gehör an, weshalb ich mir zum Vergleich einige zuhause rumliegende Kopfhörer schnappe.

Nebst dem Turtle Beach Elite Atlas sind dies das Corsair VOID PRO RGB Wireless, der Kopfhörer Sony MDR-HW700DS sowie popelige In-Ear-Kopfhörer, welche ich von Huawei mit einem Nova 2 ausgeliefert bekommen habe.

Und so schneiden die vier Testkandidaten ab:

Tiefste hörbare FrequenzHöchste hörbare FrequenzFrequenzbereich gem. Hersteller
Turtle Beach Elite Atlas27 Hz16 800 Hz12 bis 20 000 Hz
Corsair VOID PRO RGB Wireless34 Hz16 200 Hz20 bis 20 000 Hz
Sony MDR-HW700DS20 Hz17 500 Hz5 bis 25 000 Hz
Huawei In-Ear-Kopfhörer43 Hz16 000 Hzunbekannt

Na sowas, gibt es denn überhaupt Kopfhörer, die den vom Hersteller angegebenen Frequenzbereich beliefern können? Wahrscheinlich schon, aber wohl nicht bei einem Midrange-Produkt. Immerhin wird klar, dass ich schlecht höre dass es Qualitätsunterschiede gibt. Vom Produkt (Headset) und Preis her ist hier nur das kabellose Corsair-Headset vergleichbar. Und dieses wird sowohl bei der niedrigsten als auch bei der höchst hörbaren Frequenz vom Turtle Beach geschlagen.

Musik auf den Ohren

Meine anfängliche Euphorie beim Musikhören ist über die Tage nicht verschwunden, doch etwas angekratzt. Denn bevor ich mir Freestyler von Bomfunk MC's angehört habe, war ich mit In-Ear-Kopfhörern von HTC unterwegs. Wenn ich nun den Vergleich zu meiner Heimanlage oder einem der oben genannten Geräte ziehe, wird klar, dass auch ein Ohr ab und an geeicht werden muss.

Die Bässe gefallen mir noch immer, doch es fehlt ihnen irgendwie an Wumms. Die Kopfhörer von Sony kriegen das knackiger hin, aber die stehen eh ausser Konkurrenz. Vergleiche ich mit dem Corsair-Headset, dann gewinnt das Turtle Beach deutlich. Im Vergleich klingt der Sound auf den Wireless-Kopfhörern irgendwie beschnitten. Beim Turtle Beach Headset darf so gesehen und mit dem gegebenen Preis im Hinterkopf nicht gejammert werden. Auch die Mitten und Höhen gefallen mir: Ich habe ordentlichen, wenn auch nicht königlichen Sound auf die Ohren bekommen.

Gaming, die Paradedisziplin

Beim Gamen an der PS4 Pro gefällt mir das Headset sehr gut. «Onrush» klingt ähnlich gut wie mit den Sony-Kopfhörern. Und bei «Divinity: Original Sin II» empfinde ich genau gleich. Weil ich eine Zweitmeinung wollte, habe ich meine gamende Frau gebeten, das Headset bei «The Elder Scrolls Online» zu testen. Natürlich mit aktiviertem Surround.

Erstmal scheint sie begeistert zu sein. Was besonders gut mit dem Turtle Beach kommt, sind Wettergeräusche, Hintergrundmusik und die Präzision bei Surround Sound. Davon möchte ich mich selber überzeugen. Ich setze mir das Headset auf, um ihr bei einigen Kämpfen staunend und lauschend zuzusehen, und komme zum Schluss, dass ich mit ihrem Eindruck übereinstimme. Danach machen wir dasselbe mit dem Corsair VOID PRO RGB Wireless.

Komisch: Die Kämpfe gefallen uns beiden besser mit dem Corsair-Headset. Surroundtechnisch bemerke ich keinen Unterschied. Reitet jemand an uns vorbei, ändert die Richtung des Sounds bei beiden Headsets gleich präzise. In Dialogen wiederum klingen die Stimmen mit dem Turtle Beach etwas metallisch, wohingegen Corsair keine Probleme aufweist.

Bevor ich meiner Frau das Turtle Beach abnehme, will ich wissen, welches der Headsets sie fürs Gamen bevorzugt. Ohne zu zögern nennt sie das Corsair. Sie meint, dass beide in Sachen Soundqualität überzeugen, doch das Turtle Beach drücke ihr mit der Zeit zu sehr an den Kopf. Tja, so unterschiedlich empfinden Menschen. Ich könnte das Teil Ewigkeiten tragen.

Mikrofonqualität

Alles lässt sich abnehmen, auch das Mikrofon.
Alles lässt sich abnehmen, auch das Mikrofon.

Was bei Turtle Beach wirklich überzeugt, ist das Mikrofon. Beim Testen mit Audiorekorder, Skype und Teamspeak kann nichts moniert werden. Klar hält es nicht mit einem professionellen Mikrofon inklusive Tischstativ mit, dennoch klinge ich für meine Gegenseite klar – meine Stimme wird vom Frequenzbereich nicht beschnitten. Ab und an lässt es das eine oder andere Hintergrundgeräusch durch. Dennoch; wenn du es so platzierst, dass du nicht direkt reinatmest, steht einer klaren Kommunikation nichts im Weg.

Fazit: Solltest du dir dieses Teil gönnen?

Dass das Turtle Beach Elite Atlas gemäss Produktbeschrieb von Gamern für Gamer getestet und mitentwickelt wurde, klingt toll. Aber lasse dich nicht von Marketing-Texten blenden. Insbesondere da Geschmäcker verschieden sind. Sowohl in Bezug auf die Ergonomie wie auch auf den Klang.

Mit dem Kauf dieses Produktes erhältst du ein für den Preis solide verarbeitetes und ergonomisch durchdachtes Over-Ear-Headset. Die auswechselbaren Ohrpolster, das Kopfbügelpolster, die Drehbarkeit der Muscheln und die dreistufige Einstellbarkeit des Bügels lassen kaum Wünsche offen. Für manche Köpfe könnte der Druck der Polster mit der Zeit unangenehm werden. Für mich passt das. Was auch freut: Du kannst das Headset auch mit Brille problemlos tragen. Die Polster geben da, wo sich deine Brillenbügel befinden, so nach, dass sie auch bei langem Tragen nicht drücken.

Möchtest du nebst Gamen auch Musik hören, kannst du das Mikrofon abnehmen. Ausserdem klingt der Sound mit den 50-mm-Lautsprecher überraschend gut. Nicht vergleichbar mit einem High-End-Kopfhörer, aber definitiv besser, als es so manch anderes Midrange-Headset draufhat.

Beim Gamen trumpft das Mikrofon mit solider Leistung. Die Lautsprecher hingegen sind Geschmacksache. Wettergeräusche, Hintergrundsound und der Surround überzeugen. Jedoch klingen Kampfgeräusche, beispielsweise Explosionen, nicht so mächtig, wie bei anderen Headsets. Auch Dialoge mit NSCs gefallen bei der Konkurrenz besser: Beim Turtle Beach haben sie ab und an einen metallischen Charakter.

In Anbetracht von Preis-Leistung kann ich hier eine Kaufempfehlung aussprechen. Solltest du keinen Bedarf für Turtle Beach haben, empfehle ich die Alternative Sex on the Beach.

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.

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